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Abschied

In Erinnerung an meinen Papa, der heute vor 15 Jahren voraus ging:

„Niemand fragt, ob es einem Recht ist Abschied zu nehmen von seinem Leben, seinen Gewohnheiten und seinen Lieben.

Was bleibt, ist dieses zusammenbrechen um dann neu aufzubrechen“.

 

 

 

     Foto von: Jürgen Helm

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Der Ursprüngliche Beitrag wurde von mir im Jahr 2012 geschrieben:

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Kopiere diese Rose…

… wenn Du jemand im Himmel hast,

den Du nie vergessen wirst….

So war es heute auf vielen Pinnwänden bei Facebook zu lesen. Auch ich habe diese Rose kopiert und auf meine Pinnwand gesetzt, im Gedenken an meinen Vater.

Er ging seit mehr als 9 Jahren von uns,  plötzlich und unerwartet wie man dann so schön sagt. Heute fühlte ich mich durch diese Pinnwandeinträge wieder an diese Zeit erinnert – mit Abstand die schlimmste in meinem Leben 😦

Plötzlich und unerwartet…… hmmm nun im Rückblick muß ich gestehen, das dem nicht so war. Ich muß mir eingestehen, das ich es damals geahnt habe, schon Wochen vorher! Aber ich gestand es mir nicht ein, wollte es wohl auch nicht wahr haben. Heute erkenne ich die Anzeichen, wenn sich eine Seele entschlossen hat zu gehen, nur damals war es nicht so.

Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag, als wäre es gestern erst gewesen. Es war brütend heiß, man bekam kaum Luft und ich dachte den ganzen Tag daran, das ich zu meinem Vater muß. Ich hab es nicht getan! Doch wer mag liest selbst…..

Es folgt ein Auszug aus meinem ersten Buch „Barfuß übers Lavafeld“, welches leider nicht mehr im Handel erhältlich ist. Doch diesen Auszug hier möchte ich gern mit euch teilen:

Dann stand der Sommer 2002 vor der Tür, ein gemeinsamer Urlaub in Dänemark mit meinen Eltern war geplant, das Haus direkt am Strand gebucht und ich hielt an einem recht heißen Tag einen Vortrag für eine Kollegin und deren Interessenten. Ständig hatte ich das Gefühl, ich muß zu meinen Eltern fahren, doch ich tat es nicht. Die Mädchen waren beide bei ihnen und am Abend wollten sie nach Hause kommen, weil Oma und Opa einen Krankenbesuch machen wollten. Die Unruhe hielt an, zu Hause lief ich ungeduldig hin und her, es trieb mich förmlich von zu Hause weg. Ich schnappte mir den Hund, lief eine Runde, aber es blieb unverändert. Meine Töchter kamen lachend nach Hause, braungebrannt…..und gutgelaunt, sie hatten einen schönen Tag im großen Planschbecken verbracht und sind mit meinen Eltern gemeinsam ein Stück gemeinsam Richtung unser Haus gegangen, alles schien in Ordnung zu sein und doch hatte ich dieses Gefühl etwas tun zu müssen. Ich sprach darüber mit Jörg doch er meinte ich könne doch nicht zu meinen Eltern gehen wenn diese selbst zu Besuch wären. Hm, ok, das sah ich ein und dann kam noch mein Schwager zu uns, der mir ein verspätetes Geburtstagsgeschenk brachte, ein Buch, das ich mir zwecks Fortbildung gewünscht hatte. Thema: Heilwirkung der Aloe Vera Pflanze, welches ich mir am späteren Abend im Bett zum lesen vornahm. Mein Mann fuhr zur Nachtschicht und die Kinder waren im Bett, am kommenden Tag sollte es die Zeugnisse geben  und die Ferien fingen an. Gegen 22:30 Uhr klingelte das Telefon, ich dachte es sei Jörg, war genau die Zeit bevor die Schicht los ging und so manches mal rief er mich an um noch einige Worte mit mir zu wechseln, doch er war es nicht. Es war Gerd, der Freund meiner Eltern, ich müsse sofort kommen, Papa wäre umgefallen, es ginge ihm nicht gut. Meine Augen vielen in dem angefangen Buch auf das Wort Herzinfarkt und ich sprang in meine Hose, Bluse drüber, Handy und Autoschlüssel geschnappt und los bin ich. Keine 4 Minuten nach dem Anruf war ich vor Ort. Gerd kam mir ganz aufgeregt die Treppe herunter entgegen, murmelte vor sich hin, ganz schlimm ganz schlimm und eine seltsame Ruhe ergriff mich. Ich stürmte die Treppe hoch in den Flur rein, Hannelore, die Freundin meiner Mutter saß weinend auf der Treppe auf der linken Seite, meine Mutter stand vor dem Gäste WC und hielt sich die Hände vor den Mund, mein Vater lag darin lang ausgestreckt und rührte sich nicht mehr. Er war zum austreten gegangen, hat noch die Spülung betätigt, jedoch zum Händewaschen kam er nicht mehr. Ein Blick genügte und ich wusste das er nicht mehr in dieser Welt weilte. Dann funktionierte ich nur noch, ich rief meinen Mann an, meine Schwiegermutter, das sie bitte nach meinen Kindern schauen soll, dann versuchte ich meine Schwestern zu erreichen, Gerd versuchte noch Herzmassage und Mund zu Mund Beatmung, rief immer wieder die Notrufzentrale an wo der Krankenwagen bliebe und alles schien auf einmal wie ein schlechter Traum zu sein. Die Gedanken überschlugen sich: Das kann er doch nicht machen, nicht jetzt, wir wollen doch in den Urlaub, morgen will er mit den Kindern Eis essen gehen, wie soll es weiter gehen, hätte ich vorher zu ihm fahren sollen, wie geht es meiner Mutter, warum weint Hannelore, was werden die Kinder sagen; Papa warum? Papa es tut so weh, bitte komm wieder, bitte sag mir das alles ist nur ein schlechter Traum. Du hast dir doch erst vor 2 ein halb Wochen ein neues Auto gekauft, das musst du doch fahren, Papa steh endlich auf und sprich mit mir……

Dann kam der Krankenwagen mit dem Notarzt, 2 Männer zogen den Körper meines Vaters in den Windfang und das ganze Programm musste durchgespielt werden. Sie rissen ihm sein Hemd auf, legten Zugänge, Elektroschocks, Adrenalin wurde gespritzt und ich stand zu seinen Füßen und beobachtete was dort genau vor meinen Augen ablief. Ich dachte es ist genau wie in diesen Arztserien, die wissen was sie tun, aber sein Herzschlag setzte nicht mehr ein, es war zu spät. Gerd führte meine Mutter von mir weg ins Wohnzimmer, ich blieb stehen, wollte es nicht wahrhaben, versuchte in Gedanken ihn zu ermuntern doch zurück zu kommen. Heute weiß ich das er ein Pflegefall geblieben wäre, sein Gehirn war schließlich zu lange ohne Sauerstoff.

Der Notarzt sah mich nach einer ganzen Weile an und schüttelte nur den Kopf, er könne nichts mehr tun und es täte ihm leid. 2 der Sanitäter gingen nach draußen vor die Tür und unterhielten sich über den bevorstehenden Urlaub und lachten – klar, ihr Alltag, sie dürfen sich nicht so emotional in ihrer Arbeit geben, die Belastung wäre ja kaum auszuhalten, aber ich saß da im Flur, hielt die Hand meines Vaters, versuchte sein Hemd gerade zu rücken, wischte die Gelreste von seinem Oberkörper und wurde zunehmend wütender auf diese Männer. Wie konnten sie nur so fröhlich sein wo doch gerade eben unsere Welt zusammen gebrochen war?? Gerd kam, sah es und ging vor die Tür und stauchte die Männer ordentlich zusammen. Der Notarzt war bei meiner Mutter, die total unter Schock stand und behandelte sie, ich bin wieder in den Flur, legte eine Decke über den Körper meines Vaters und hielt weiterhin seine Hand in meiner. Ich weiß heute gar nicht mehr ob ich weinte, ich glaube eher nein, aber ich hielt Zwiesprache mit ihm, sagte ihm das er keine Angst haben müsse, das er ins Licht gehen darf und wie lieb ich ihn habe. Dann sah ich in sein Gesicht und hoffte darin irgend eine Regung zu sehen, das ein Wunder geschähe und er die Augen aufschlägt und sagt: „Man hab ich einen Blödsinn geträumt!“, aber da war nichts, bis auf ein kleines Flattern in seiner Hand, wie ein kaum spürbarer Händedruck und sofort flogen meine Augen wieder hoch zu seinem Gesicht, leichte Panik überkam mich, ich wollte die Männer zurück rufen, sie bitten noch mal alles zu versuchen, ich habe ja schließlich eine Regung gespürt, doch es war vorbei.

Der Notarzt kam aus dem Wohnzimmer in dem er meiner Mutter eine Beruhigungsspritze gegeben hat, blieb bei mir im Flur stehen, legte seine Hand auf meine Schulter und sagte: „Es tut mir aufrichtig leid, ich hätte ihn gern für Sie gerettet, aber es lag nicht in meiner Macht“, dann drückte er kurz zu und als ich zu ihm auf sah hatte er Tränen in den Augen. Eine Welle des Mitgefühls überkam mich und so nickte ich nur und er ging.

Ich weiß nicht wie lange ich noch dort saß, auf einmal waren sie alle da, mein Schwager Lothar mit meiner Schwester Doris, meine Nichte Yvonne mit ihrem Freund Fabio und dann ging es ganz schnell. Der Bestatter wurde bestellt und kam innerhalb kurzer Zeit und Lothar, Fabio und Gerd halfen ihm den Körper meines Vaters aus dem Haus zu tragen. Ich wurde indem in die Küche geschoben und von meiner Schwester festgehalten. Mein Schwager wollte nicht das ich zuschaue wie sie ihn weg tragen. Irgendwann riss ich mich los und lief hinterher, da wurde gerade die Tür vom Leichenwagen zugemacht. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung und ich schaute hinterher bis er um die Ecke verschwand. Mir zerriss es förmlich das Herz. Erst dann kam mein Mann, er kam direkt von der Arbeit und war kurz bei den Kindern, aber seine Mutter war schon da. Keine Umarmung, nur ein kurzes über den Arm streicheln, das war es. Ich registrierte es außergewöhnlich hellwach, aber maß dem irgendwie doch keine Bedeutung bei.

Meine Schwester blieb über Nacht bei meiner Mutter, ich wollte nur nach Hause in mein Bett, irgendwer fragte, ob ich denn überhaupt Auto fahren könne, doch ich konnte. Meine Schwiegermutter saß bei uns im Windfang, auch sie war irgendwie seltsam förmlich, aber unser Hund Topsi kam mit eingekniffenen Schwanz zu mir, stupste mich an und winselte leise. Irene sagte, das sie die ganze Zeit gejault hätte.

Dann lag ich im Bett, irgendwie hellwach und doch betäubt versuchte ich das ganze Ausmaß zu begreifen. Es ging nicht. Irgendwann viel ich in den Schlaf und mein Wecker holte mich aus der Hölle. Ich dachte noch:“ meine Güte, was war das für ein Alptraum“, doch mit einem Schlag war die Realität wieder da. Ich musste die Kinder wecken, ihnen die Nachricht beibringen, mit Ihnen die Zeugnisse abholen und dann zu meiner Mutter fahren. Wir mussten ja so viel erledigen. Die Beerdigung musste irgendwie organisiert werden und dazu mussten wir halt gemeinsam dort hin. Meine Tante Uschi, die kleine Schwester meines Vaters und mein Mann begleiteten uns. Fassungslos suchten wir nach Worten, doch Frau Daedther führte uns einfühlsam durch das Gespräch. Meine Mutter saß nur kopfschüttelnd da und sagte: „Wir wollten doch jetzt Eis essen gehen und kein Begräbnis bestellen.“ Sie war kaum fähig eine Entscheidung zu treffen, deshalb übernahm ich das. Ich suchte den Sarg aus und den Text der in der Zeitung stehen sollte.

„Niemand fragt, ob es einem Recht ist Abschied zu nehmen von seinem Leben, seinen Gewohnheiten und seinen Lieben. Was bleibt, ist dieses zusammenbrechen um dann neu aufzubrechen“.

Als wir damit fertig waren, sind wir ins Haus zu meiner Mutter zurück, im Bad zeigte sie uns noch seine Fingerabdrücke, die er beim duschen an der Duschkabine hinterlassen hatte und dann kamen die treuen Freunde aus Berlin, Ellen und Bernd. Sie blieben eine ganze Woche und halfen wo sie nur konnten. Sie haben extra einen geplanten Urlaub abgesagt und wir mussten uns der harten Realität stellen.

Am folgenden Tag konnten wir uns meinen Vater noch mal ansehen. Ich habe ihm einen langen Brief geschrieben, allerdings weiß ich heute nicht mehr genau was alles darin stand. Die Kinder malten Bilder und Laura und Maik wollten unbedingt mit um sich vom Opa zu verabschieden. Meine Schwiegermutter war total dagegen, doch ich setzte mich durch. Mein Mann hielt sich raus, er war eh irgendwie ganz weit weg.

Am Nachmittag war es soweit, meine Nichten waren auch dabei, meine Tante, Ellen und Bernd, die Kinder, meine Mutter und ich. Laura und Maik haben ihm eine Rose in die gefalteten Hände gelegt, er sah so friedlich aus und ich dachte mir Papa mach endlich die Augen wieder auf, doch das tat er natürlich nicht. Nach und nach leerte sich der kleine Raum und ich war an der Reihe an seinen Sarg zu treten. Ich steckte ihm den Brief ins Jackett, streichelte über die kalten Hände und fühlte seine Stirn, sie war eiskalt und hart, der Vergleich mit einer kalten Porzellantasse kam mir in den Sinn und endlich, endlich liefen die Tränen. Es wurde Zeit sich zu verabschieden und ich ging rückwärts bis zur Tür, ich wollte die letzte sein, die ihn dort so liegen sah. Irgendwie gab mir das etwas Trost.

Die Tage vergingen und ich war irgendwie in einem Vakuum, ich funktionierte, erklärte den Kindern, tröstete wo ich konnte, half meiner Mutter und dachte mir so manches mal: „Wer tröstet eigentlich mich?“. Unsere jüngste Tochter Laura schlief schlecht, sie wurde Nachts wach, hat dann bei uns im Bett geschlafen, weil sie immerzu ihren Opa sah, ich habe nur immerzu sein After Shave gerochen. Ich habe Laura dabei beobachtet, scheinbar schlief sie und als ob sie an unsichtbaren Schnüren hochgezogen wurde wie eine Marionette, setzte sie sich auf, riss die Augen weit auf und starrte ans Fußende. Wenn ich sie ansprach, reagierte sie erst nicht, dann jedoch legte sie sich wieder hin und kurz darauf schlug sie die Augen auf und flüsterte: „Opa war da, er sagt es geht ihm gut“, oder „heute hatte er seine Gartenjacke an, aber irgendwie hat er keine Zähne, aber er lacht“. So ging es einige Nächte und dann stand der Montag vor der Tür! Der Tag der Beerdigung! Mich packte die Angst, ich wollte das so nicht. Das hatte so was endgültiges! Zum ersten mal griff ich zu einer Beruhigungstablette. Als wir uns alle Richtung Friedhof in Bewegung setzten schwirrten mir die Gedanken: „Ich muß Mutti stützen, ob Renate gut auf die Kinder aufpasst?, muß ich nicht bei meinen Kindern sein, sie sitzen hinter mir, nicht bei mir, denn da sitzt Mutti und so drehten sich die Gedanken immer weiter. Als wir aus dem Auto stiegen trauten wir unseren Augen nicht! So viele Menschen standen dort, das hätten wir nie für möglich gehalten. Eine Umarmung hier, ein Schulter klopfen da, gemurmelte Worte des Mitleids, wir ließen alles über uns ergehen und betraten dann die Halle wo der Sarg schon aufgebahrt war. Darin lag also nun mein Papa, mit den Rosen und den Briefen und Bildern. Ich konnte es nicht begreifen. Ich sah das der Pastor kam und einige Worte sprach und dann war dieser Teil vorbei. Wir folgten dem Sarg nach draußen, durch ein Menschenmeer. Ich sah sie alle und doch wieder nicht. Die Kinder waren sehr tapfer, gingen direkt hinter uns, meine Mutter murmelte nur immer wieder nein, nein, nein. Der Moment des letzten Segens kam und der Sarg wurde in die Erde gelassen. Das war der Moment der mich aus meiner Lethargie riss. Alles in mir wollte dem nach, ich wäre am liebsten hinterher gesprungen. Es war unerträglich zu sehen wie langsam eine Schaufel Erde der nächsten folgte. Ich war so wütend, so traurig so verletzt und musste doch brav meine Rolle spielen.

Am Nachmittag haben wir das Grab noch mal besucht, die Blumen leuchteten schon von weitem und in mir machte sich wieder eine seltsame Ruhe breit. Fast so als sei eine Last von mir gefallen. In der Küche meiner Mutter viel mir meine älteste Schwester Renate um den Hals und weinte bitterlich: „Der arme Kalle, nun liegt er da in der kalten Erde, so ganz allein“, ich dachte nur während ich sie hielt: „Was will sie eigentlich, es ist mein Vater, nicht ihrer (meine Schwestern sind aus erster Ehe meiner Mutter), aber ich wusste auch gar nicht mehr ob und was ich fühlte, für uns ging das Leben weiter. Wenn auch anders, selbst wenn man glaubt, es kann gar nicht weiter gehen, so ist die Zeit doch unerbittlich und rückt Stunde um Stunde vor.

Jeden morgen ging ich zum Grab, sogar zusammen mit Topsi, sie schien auch zu spüren das es der geliebte Opa Kalle war, der dort lag. Als es Nachts anfing zu regnen, wäre ich am liebsten hingelaufen und hätte mich darüber geworfen, so unerträglich war mir der Gedanke das der ganze Schlamm den Sarg tief in der Erde erreicht und alles durchweicht.

Nun kam die Zeit unseres geplanten Urlaubes, der Hausarzt meinte wir sollen auf jeden Fall fahren und so kam es das wir meine Schwester Doris noch mitnahmen. Maik und Laura fuhren mit Papa und Topsi im Sharan, mit den ganzen gepackten Sachen, Lebensmitteln und Surfbrettern, ich fuhr das Auto meines Vaters, was er erst vor knapp 4 Wochen gekauft hatte, darin saßen meine Mutter, meine Schwester und Julia, meine älteste Tochter. Schon als wir aus dem Ort heraus fuhren, hatte ich das Gefühl ich würde meinen Vater im Stich lassen und innerlich weinte ich bittere Tränen, doch ich fuhr dem vorausfahrenden Auto einfach hinterher. Es war wie in einem schlechten Traum. Mit jedem Kilometer den wir zurück legten, starb irgendwie ein Teil von mir und doch kamen wir nach 7 Stunden fahrt an unser Ziel an.

Wir holten die Schlüssel für unser Haus und fingen an uns einzurichten. Irgendwie hatte uns der Alltag wieder…. Abends saßen wir lange gemeinsam auf der überdachten Terrasse und erzählten. Meine Mutter erzählte viel aus ihrem Leben, Dinge von denen ich bisher keine Ahnung hatte. Ein seltenes Gefühl des Zusammenhaltes entstand und auf unsere Weise ließen wir meinen Vater daran teilhaben.

Trotzdem übermannte mich noch die Trauer, so auch am 14. Tag nachdem er von uns gegangen war. Ich stand im Garten mit unserer Topsi und mir liefen die Tränen, mein Mann kam dazu und fragte mich: „Na, denkst du immer noch daran?“. Ich schaute ihn an und war fassungslos! Ich fragte mich allen ernstes, wer war eigentlich dieser Mann mit dem ich seit 22 Jahren zusammen war und 3 gemeinsame Kinder hatte. Wortlos griff ich die Hundeleine und lief Richtung Strand. In den Dünen suchte ich mir eine einsame Stelle, die so schnell niemand finden konnte, weit weg von den Wegen. Weinend saß ich da im Sand, Topsi legte ihren Kopf auf meine Schenkel und winselte mit mir mit. Ich sah die Möwen, das Meer, den blauen Himmel mit den weißen Wolken die locker vorbei zogen und es war so ungerecht das dies mein Vater nicht mehr erleben und genießen durfte. Es tat so weh!

Als ich zum Haus zurück kam war die Stimmung eisig. Mein Mann zeigte kein Verständnis für mein Verhalten und so gingen wir wortlos ins Bett. Meine Gedanken kamen und kamen nicht zur Ruhe, mein Herz war schwer und fühlte sich wund an, ich fühlte mich so einsam und allein, obwohl Jörg keine 20 cm neben mir lag. Doch irgendwann schlief ich ein.

Diese Buch „Barfuss übers Lavafeld“ schrieb ich mir sozusagen von der Seele, mein Abschied von meinem Papa, meiner Schwester, meinem Exmann, meinem alten Leben und vielen anderen Dingen. Nichts bleibt wie es war, alles ändert sich! DAS ist die einzige Konstante im Universum……

Herzlichst, Sabine

Ein weiterer Verlust

Ein älterer Blogbeitrag aus meinem Leben. Es beschreibt einen Tag im Jahre 2006, vier Jahre nach dem Tod meines Vaters

 

…… ein weiterer kurzer Auszug aus meinem leider nicht mehr erhältlichen Buch  

„Barfuss übers Lavafeld“:

…………

Am folgenden Tag unternahm Renate, meine älteste Schwester, mit Tabletten einen Suizid- Versuch, und mein Sohn kam mit einem Katzenbaby nach Hause, dessen Mutter überfahren wurde. Ich dachte nur: „Einer geht und einer kommt!“

2 Tage lag sie noch im Krankenhaus an den Apparaten, Hirntot, doch die Maschinen durften erst abgestellt werden, als der Giftcocktail heraus war. Ich nahm alles mit seltsamen Abstand war. Natürlich war ich betroffen, doch zu der Zeit wusste ich schon vieles über Spiritualität und das die Seele ihren Weg schon vorher plant um bestimmte Erfahrungen zu machen, wusste, dass sie ganz gehen musste, sie hatte sich für diesen Weg entschieden. Ich stand am Tag darauf an ihrem Krankenbett und schaute sie an. Links stand mein Schwager, rechts meine Mutter und ich fragte mich, für wen das denn wohl nun schlimmer wäre. Ich diskutierte mit den Ärzten, Neurologen und Schwestern, jeder sagte, dass sie zu 99% hirntot sei und nicht selbst atmen könne, aber wie gesagt, die Maschinen könnten erst abgestellt werden, wenn alles an Medikamenten aus ihrem Körper heraus war. Dann würden noch weitere Tests folgen, und wenn es dann bei einer Null Linie im EEG bliebe, dann und erst dann könnte man die Geräte ausstellen. Grübelnd stand ich vor den Maschinen und suchte den Knopf, den man drücken oder den Stecker, den man ziehen müsste, doch Alfons sagte : „Wenn das jemand tut, dann ich, du musst für deine Kinder da sein!“

Ich war wütend, das ganze war menschenunwürdig, niemand hatte Hoffnung, und doch arbeiteten die Organe einwandfrei. Allerdings rechneten die Ärzte damit, dass der Kreislauf sogar von alleine versagen könnte. Doch immer, wenn mein Schwager sprach, stieg ihr Puls an, und ich brauchte Erklärungen. Also rief ich Erika Schmitt an, bei ihr hatte ich vieles gelernt, was für den menschlichen Verstand nicht greifbar war und fragte nach, was denn da eigentlich los sei. Sie nahm Kontakt zu Renates Seele auf und erklärte mir, dass sie nicht mehr in ihren Körper zurück könne, und dass sie nun Angst hätte, doch sie spürte, dass wir bei ihr waren. Ich solle auf meine innere Stimme hören, denn ich wüsste genau was zu tun sei.

Eine Krankenschwester bot an, mit der Seelsorge zu sprechen, beide lehnten erst ab, doch ich bestand darauf. Die Pastorin kam und führte uns in einen kleinen Raum, begann das Gespräch damit das niemand Schuld habe, das es ihr eigener Entschluss war und wir sie nun gehen lassen müssten. Ich sprach zuerst mit ihr, darüber, was in mir vorging, das gab meiner Mutter und auch Alfons Mut. Sie suchten im Anschluss nochmals das Gespräch, es tat einfach gut mit jemanden darüber zu sprechen, den Schmerz heraus zu lassen. Diese Gelegenheit nutzte ich um alleine mit meiner sterbenden Schwester zu sprechen. Dazu hielt ich ihre Hand und schaute immer wieder auf die Monitore, die ihren Herzschlag aufzeichneten und auch die Hirnströme. Als ich Anfing zu reden fiel erst ihr Puls etwas ab, doch als ich erwähnte, das sie ruhig gehen darf, es sogar muß, das sie keine Angst zu haben braucht, das alles gut sein würde, da schoss der Puls nach oben. Es war unglaublich. Ich sah in ihr Gesicht, jedoch keine Regung, ihre Hand lag warm in meinen, kein Druck, kein Flattern zu spüren, aber ihr Puls raste.

Zu dem Zeitpunkt waren meine Schwestern total zerstritten, es ging um das Erbe der gemeinsamen Oma und meine Mutter redete kein Wort mehr mit Doris, mein Schwager Alfons verbot sogar, dass Doris im Krankenzimmer Abschied nehmen durfte, doch dann fragte er mich, warum Renate nicht von alleine gehen würde.

Auf einmal war alles klar, meine Aufgabe bestand darin, dass sich meine Schwestern verabschieden können und darin, den Familienfrieden wieder herzustellen. Meine Mutter, die Erika ja auch kannte, flehte mich an, dass ich Alfons davon überzeugen solle, das Vergebung die höchste Art war, Respekt zu zeigen, vor uns allen und vor meiner sterbenden Schwester.

Ständig war ich am telefonieren, doch Doris war schon mit ihrem Mann Lothar nach Süddeutschland unterwegs. Sie durfte nicht ans Sterbebett unserer Schwester und wäre daran fast zerbrochen. Ihr Mann wollte sie ablenken, deshalb waren sie, als Alfons endlich bereit war, sie zur ihr zu lassen, schon fast 400 km weit weg. Sie würden es nicht rechtzeitig schaffen, um noch rechtzeitig da zu sein, denn der letzte Neurologische Test stand nun unmittelbar bevor. Wir mussten die Intensivstation für etwa eine Stunde verlassen. Zuerst gingen wir im Park spazieren, meine Mutter und ich setzten uns dann in die Cafeteria, beobachten Alfons dabei, wie er vor den Fenstern auf und ab lief, nervös eine Zigarette nach der anderen rauchte und die Minuten vergingen quälend langsam.

Der Anruf der Ärztin kam, der Test sei vorbei und wir könnten zurück auf das Zimmer. Den langen Gang dorthin im Bewusstsein, das wir nun zu meiner Schwester gingen um sie beim Sterben zu begleiten. Meine Mutter wurde auf dem Weg dorthin immer langsamer und unglücklich standen wir vor der Tür der Intensivstation. Niemand mochte auf die Klingel drücken, damit wir eingelassen werden. Keine Ahnung wer letztendlich dann doch den Knopf drückte und als kurze Zeit später der Türsummer ertönte hatte das etwas sehr grausames an sich.

Der Test erbrachte wie erwartet keine Reaktionen und die Ärztin fragte uns, ob wir noch Zeit zum verabschieden brauchten. Alfons wäre beinahe geplatzt, er schrie: „Wir haben uns jetzt 3 Tage verabschieden müssen“. Als dann die Maschinen abgestellt wurden, hielt ich Renates linke Hand, Alfons ihre rechte, meine Mutter stand weinend am Fußende und streichelte über ihre Beine. Ich sprach Gebete und bat die geistige Welt ihr zu helfen.

Es dauerte eine Ewigkeit bis der Herzschlag nachließ und es tat weh, sie dort so liegen zu sehen, ich war so machtlos. plötzlich verstärkte sich ihr Griff um meine Hand, die zusammen mit ihrer auf ihrer Hüfte lag, und sie zog den Arm mit aller Kraft an ihre Brust, zeitgleich drehte sie ihren Kopf in die Richtung ihres Mannes und ich rief nur panisch: „ich bin das nicht, das macht sie, ich bin das nicht!“, und ich suchte verzweifelt den Schalter um das Beatmungsgerät wieder einzuschalten. Meine Mutter und mein Schwager sahen dies mit weit aufgerissenen Augen, doch wir konnten nichts tun. Dann wurde es weniger, der Druck ließ nach und ihr Kopf und der Arm rutschten wieder in die alte Position zurück. Ihre Finger waren auf einmal sehr kalt und ich griff mit der anderen Hand an ihren Arm, und zu prüfen, wie dort die Temperatur war. Ich konnte mit meiner rechten Hand förmlich verfolgen wie die Kälte auf ihrer Haut langsam aber sicher Richtung Oberarm wanderte. Der Monitor zeigte kaum noch einen Puls, und die Ärztin kam rein, um auch dieses Gerät auszuschalten. Sie schrieb die Uhrzeit auf für den Totenschein und bat uns, nun das Zimmer zu verlassen. Wir könnten in ungefähr 30 Minuten wieder kommen, dann wären die Schläuche entfernt und man hätte sie dann aufgebahrt. Ich schaute auf die Uhr, das ganze hatte fast 15 Minuten gedauert, ich war tief erschüttert. Ohne etwas zu sagen, sind wir drei wieder  in den Park gegangen und jeder führte einige Telefonate. Alfons mit seiner Mutter, meine Mutter mit Ellen und Bernd, ich mit meinen Kindern und Erika. Diese sagte mir, dass ich es sehr gut gemacht hätte, aber noch Arbeit auf mich warten würde, damit Renates Seele ins Licht gehen könnte. Wieder funktionierte ich nur, aber diesmal war es etwas anders. Ich wusste, dass ich noch etwas für sie tun konnte, und ich akzeptierte ihre Entscheidung, so aus dem Leben zu gehen.

Die Zeit vor der Beerdigung war noch mal richtig schlimm. Meine Mutter sagte, wenn Doris käme, bliebe sie weg und umgekehrt auch. Mir platzte fast der Kragen, ich knallte ihnen das Buch von Neale Donald Walsh, Ich bin das Licht, die kleine Seele spricht mit Gott, auf den Tisch und zischte, sie sollten das gefälligst lesen und dann entscheiden.

Alles beruhigte sich, und ich saß mit meinen Kindern in der ersten Reihe auf der linken Seite, meine Mutter mit Alfons und seiner Mutter rechts, meine Schwester kam erst später und setzte sich in die hinterste Bank, zusammen mit ihrer Familie. Ich beobachtete, dass sogar mein Nochmann erschien. Ich sah nur aus den Augenwinkeln seine Schuhe und wie er mit 3 gelben Rosen in seinen zitternden Händen am Sarg stand, dachte bei mir: „Siehst du, hier sitzt deine Familie und du gehörst nicht mehr dazu“. Später am offenen Grab gab er mir sogar die Hand und klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Es tut mir leid Maus!“, mir fiel der Unterkiefer herunter und zu meiner Mutter sagte er: „Na Schwiegermutter, nun reicht es aber hin, Kopf hoch!“. Ich wunderte mich über gar nichts mehr….

Nach dem anschließenden Kaffee trinken fuhr ich mit den Kindern nach Hause, Topsi musste ja schließlich raus. Auf dem Heimweg kam ich am Laden von Frank und Suse vorbei und davor stand der Wagen von Jörg. Ich schnappte mir meinen Hund und ging mit ihr Richtung Laden. Es war mir ein Bedürfnis ihm zu danken das er trotz allem dabei war. Wir wechselten ein paar Sätze doch dann ignorierte er mich total, streichelte nur den Hund wie verrückt.

In den folgenden Tagen und Wochen  tat ich noch einiges, um Renates Seele den Weg ins Licht zu ebnen. Zu dieser Zeit immer wieder bis tief in die Nacht Nachrichten und Telefonate mit Andreas. Sehr gefühlvoll, sehr intensiv…. Sehr nah……

Abschied

     Foto von: Jürgen Helm

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¯¯¯¯¯¯¯\)¯¯\)¯¯¯’\_„„„,\)

Kopiere diese Rose…

… wenn Du jemand im Himmel hast,

den Du nie vergessen wirst….

So war es heute auf vielen Pinnwänden bei Facebook zu lesen. Auch ich habe diese Rose kopiert und auf meine Pinnwand gesetzt, im Gedenken an meinen Vater.

Er ging seit mehr als 9 Jahren von uns,  plötzlich und unerwartet wie man dann so schön sagt. Heute fühlte ich mich durch diese Pinnwandeinträge wieder an diese Zeit erinnert – mit Abstand die schlimmste in meinem Leben 😦

Plötzlich und unerwartet…… hmmm nun im Rückblick muß ich gestehen, das dem nicht so war. Ich muß mir eingestehen, das ich es damals geahnt habe, schon Wochen vorher! Aber ich gestand es mir nicht ein, wollte es wohl auch nicht wahr haben. Heute erkenne ich die Anzeichen, wenn sich eine Seele entschlossen hat zu gehen, nur damals war es nicht so.

Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag, als wäre es gestern erst gewesen. Es war brütend heiß, man bekam kaum Luft und ich dachte den ganzen Tag daran, das ich zu meinem Vater muß. Ich hab es nicht getan! Doch wer mag liest selbst…..

Es folgt ein Auszug aus meinem ersten Buch „Barfuß übers Lavafeld“, welches leider nicht mehr im Handel erhältlich ist. Doch diesen Auszug hier möchte ich gern mit euch teilen:

Dann stand der Sommer 2002 vor der Tür, ein gemeinsamer Urlaub in Dänemark mit meinen Eltern war geplant, das Haus direkt am Strand gebucht und ich hielt an einem recht heißen Tag einen Vortrag für eine Kollegin und deren Interessenten. Ständig hatte ich das Gefühl, ich muß zu meinen Eltern fahren, doch ich tat es nicht. Die Mädchen waren beide bei ihnen und am Abend wollten sie nach Hause kommen, weil Oma und Opa einen Krankenbesuch machen wollten. Die Unruhe hielt an, zu Hause lief ich ungeduldig hin und her, es trieb mich förmlich von zu Hause weg. Ich schnappte mir den Hund, lief eine Runde, aber es blieb unverändert. Meine Töchter kamen lachend nach Hause, braungebrannt…..und gutgelaunt, sie hatten einen schönen Tag im großen Planschbecken verbracht und sind mit meinen Eltern gemeinsam ein Stück gemeinsam Richtung unser Haus gegangen, alles schien in Ordnung zu sein und doch hatte ich dieses Gefühl etwas tun zu müssen. Ich sprach darüber mit Jörg doch er meinte ich könne doch nicht zu meinen Eltern gehen wenn diese selbst zu Besuch wären. Hm, ok, das sah ich ein und dann kam noch mein Schwager zu uns, der mir ein verspätetes Geburtstagsgeschenk brachte, ein Buch, das ich mir zwecks Fortbildung gewünscht hatte. Thema: Heilwirkung der Aloe Vera Pflanze, welches ich mir am späteren Abend im Bett zum lesen vornahm. Mein Mann fuhr zur Nachtschicht und die Kinder waren im Bett, am kommenden Tag sollte es die Zeugnisse geben  und die Ferien fingen an. Gegen 22:30 Uhr klingelte das Telefon, ich dachte es sei Jörg, war genau die Zeit bevor die Schicht los ging und so manches mal rief er mich an um noch einige Worte mit mir zu wechseln, doch er war es nicht. Es war Gerd, der Freund meiner Eltern, ich müsse sofort kommen, Papa wäre umgefallen, es ginge ihm nicht gut. Meine Augen vielen in dem angefangen Buch auf das Wort Herzinfarkt und ich sprang in meine Hose, Bluse drüber, Handy und Autoschlüssel geschnappt und los bin ich. Keine 4 Minuten nach dem Anruf war ich vor Ort. Gerd kam mir ganz aufgeregt die Treppe herunter entgegen, murmelte vor sich hin, ganz schlimm ganz schlimm und eine seltsame Ruhe ergriff mich. Ich stürmte die Treppe hoch in den Flur rein, Hannelore, die Freundin meiner Mutter saß weinend auf der Treppe auf der linken Seite, meine Mutter stand vor dem Gäste WC und hielt sich die Hände vor den Mund, mein Vater lag darin lang ausgestreckt und rührte sich nicht mehr. Er war zum austreten gegangen, hat noch die Spülung betätigt, jedoch zum Händewaschen kam er nicht mehr. Ein Blick genügte und ich wusste das er nicht mehr in dieser Welt weilte. Dann funktionierte ich nur noch, ich rief meinen Mann an, meine Schwiegermutter, das sie bitte nach meinen Kindern schauen soll, dann versuchte ich meine Schwestern zu erreichen, Gerd versuchte noch Herzmassage und Mund zu Mund Beatmung, rief immer wieder die Notrufzentrale an wo der Krankenwagen bliebe und alles schien auf einmal wie ein schlechter Traum zu sein. Die Gedanken überschlugen sich: Das kann er doch nicht machen, nicht jetzt, wir wollen doch in den Urlaub, morgen will er mit den Kindern Eis essen gehen, wie soll es weiter gehen, hätte ich vorher zu ihm fahren sollen, wie geht es meiner Mutter, warum weint Hannelore, was werden die Kinder sagen; Papa warum? Papa es tut so weh, bitte komm wieder, bitte sag mir das alles ist nur ein schlechter Traum. Du hast dir doch erst vor 2 ein halb Wochen ein neues Auto gekauft, das musst du doch fahren, Papa steh endlich auf und sprich mit mir……

Dann kam der Krankenwagen mit dem Notarzt, 2 Männer zogen den Körper meines Vaters in den Windfang und das ganze Programm musste durchgespielt werden. Sie rissen ihm sein Hemd auf, legten Zugänge, Elektroschocks, Adrenalin wurde gespritzt und ich stand zu seinen Füßen und beobachtete was dort genau vor meinen Augen ablief. Ich dachte es ist genau wie in diesen Arztserien, die wissen was sie tun, aber sein Herzschlag setzte nicht mehr ein, es war zu spät. Gerd führte meine Mutter von mir weg ins Wohnzimmer, ich blieb stehen, wollte es nicht wahrhaben, versuchte in Gedanken ihn zu ermuntern doch zurück zu kommen. Heute weiß ich das er ein Pflegefall geblieben wäre, sein Gehirn war schließlich zu lange ohne Sauerstoff.

Der Notarzt sah mich nach einer ganzen Weile an und schüttelte nur den Kopf, er könne nichts mehr tun und es täte ihm leid. 2 der Sanitäter gingen nach draußen vor die Tür und unterhielten sich über den bevorstehenden Urlaub und lachten – klar, ihr Alltag, sie dürfen sich nicht so emotional in ihrer Arbeit geben, die Belastung wäre ja kaum auszuhalten, aber ich saß da im Flur, hielt die Hand meines Vaters, versuchte sein Hemd gerade zu rücken, wischte die Gelreste von seinem Oberkörper und wurde zunehmend wütender auf diese Männer. Wie konnten sie nur so fröhlich sein wo doch gerade eben unsere Welt zusammen gebrochen war?? Gerd kam, sah es und ging vor die Tür und stauchte die Männer ordentlich zusammen. Der Notarzt war bei meiner Mutter, die total unter Schock stand und behandelte sie, ich bin wieder in den Flur, legte eine Decke über den Körper meines Vaters und hielt weiterhin seine Hand in meiner. Ich weiß heute gar nicht mehr ob ich weinte, ich glaube eher nein, aber ich hielt Zwiesprache mit ihm, sagte ihm das er keine Angst haben müsse, das er ins Licht gehen darf und wie lieb ich ihn habe. Dann sah ich in sein Gesicht und hoffte darin irgend eine Regung zu sehen, das ein Wunder geschähe und er die Augen aufschlägt und sagt: „Man hab ich einen Blödsinn geträumt!“, aber da war nichts, bis auf ein kleines Flattern in seiner Hand, wie ein kaum spürbarer Händedruck und sofort flogen meine Augen wieder hoch zu seinem Gesicht, leichte Panik überkam mich, ich wollte die Männer zurück rufen, sie bitten noch mal alles zu versuchen, ich habe ja schließlich eine Regung gespürt, doch es war vorbei.

Der Notarzt kam aus dem Wohnzimmer in dem er meiner Mutter eine Beruhigungsspritze gegeben hat, blieb bei mir im Flur stehen, legte seine Hand auf meine Schulter und sagte: „Es tut mir aufrichtig leid, ich hätte ihn gern für Sie gerettet, aber es lag nicht in meiner Macht“, dann drückte er kurz zu und als ich zu ihm auf sah hatte er Tränen in den Augen. Eine Welle des Mitgefühls überkam mich und so nickte ich nur und er ging.

Ich weiß nicht wie lange ich noch dort saß, auf einmal waren sie alle da, mein Schwager Lothar mit meiner Schwester Doris, meine Nichte Yvonne mit ihrem Freund Fabio und dann ging es ganz schnell. Der Bestatter wurde bestellt und kam innerhalb kurzer Zeit und Lothar, Fabio und Gerd halfen ihm den Körper meines Vaters aus dem Haus zu tragen. Ich wurde indem in die Küche geschoben und von meiner Schwester festgehalten. Mein Schwager wollte nicht das ich zuschaue wie sie ihn weg tragen. Irgendwann riss ich mich los und lief hinterher, da wurde gerade die Tür vom Leichenwagen zugemacht. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung und ich schaute hinterher bis er um die Ecke verschwand. Mir zerriss es förmlich das Herz. Erst dann kam mein Mann, er kam direkt von der Arbeit und war kurz bei den Kindern, aber seine Mutter war schon da. Keine Umarmung, nur ein kurzes über den Arm streicheln, das war es. Ich registrierte es außergewöhnlich hellwach, aber maß dem irgendwie doch keine Bedeutung bei.

Meine Schwester blieb über Nacht bei meiner Mutter, ich wollte nur nach Hause in mein Bett, irgendwer fragte, ob ich denn überhaupt Auto fahren könne, doch ich konnte. Meine Schwiegermutter saß bei uns im Windfang, auch sie war irgendwie seltsam förmlich, aber unser Hund Topsi kam mit eingekniffenen Schwanz zu mir, stupste mich an und winselte leise. Irene sagte, das sie die ganze Zeit gejault hätte.

Dann lag ich im Bett, irgendwie hellwach und doch betäubt versuchte ich das ganze Ausmaß zu begreifen. Es ging nicht. Irgendwann viel ich in den Schlaf und mein Wecker holte mich aus der Hölle. Ich dachte noch:“ meine Güte, was war das für ein Alptraum“, doch mit einem Schlag war die Realität wieder da. Ich musste die Kinder wecken, ihnen die Nachricht beibringen, mit Ihnen die Zeugnisse abholen und dann zu meiner Mutter fahren. Wir mussten ja so viel erledigen. Die Beerdigung musste irgendwie organisiert werden und dazu mussten wir halt gemeinsam dort hin. Meine Tante Uschi, die kleine Schwester meines Vaters und mein Mann begleiteten uns. Fassungslos suchten wir nach Worten, doch Frau Daedther führte uns einfühlsam durch das Gespräch. Meine Mutter saß nur kopfschüttelnd da und sagte: „Wir wollten doch jetzt Eis essen gehen und kein Begräbnis bestellen.“ Sie war kaum fähig eine Entscheidung zu treffen, deshalb übernahm ich das. Ich suchte den Sarg aus und den Text der in der Zeitung stehen sollte.

„Niemand fragt, ob es einem Recht ist Abschied zu nehmen von seinem Leben, seinen Gewohnheiten und seinen Lieben. Was bleibt, ist dieses zusammenbrechen um dann neu aufzubrechen“.

Als wir damit fertig waren, sind wir ins Haus zu meiner Mutter zurück, im Bad zeigte sie uns noch seine Fingerabdrücke, die er beim duschen an der Duschkabine hinterlassen hatte und dann kamen die treuen Freunde aus Berlin, Ellen und Bernd. Sie blieben eine ganze Woche und halfen wo sie nur konnten. Sie haben extra einen geplanten Urlaub abgesagt und wir mussten uns der harten Realität stellen.

Am folgenden Tag konnten wir uns meinen Vater noch mal ansehen. Ich habe ihm einen langen Brief geschrieben, allerdings weiß ich heute nicht mehr genau was alles darin stand. Die Kinder malten Bilder und Laura und Maik wollten unbedingt mit um sich vom Opa zu verabschieden. Meine Schwiegermutter war total dagegen, doch ich setzte mich durch. Mein Mann hielt sich raus, er war eh irgendwie ganz weit weg.

Am Nachmittag war es soweit, meine Nichten waren auch dabei, meine Tante, Ellen und Bernd, die Kinder, meine Mutter und ich. Laura und Maik haben ihm eine Rose in die gefalteten Hände gelegt, er sah so friedlich aus und ich dachte mir Papa mach endlich die Augen wieder auf, doch das tat er natürlich nicht. Nach und nach leerte sich der kleine Raum und ich war an der Reihe an seinen Sarg zu treten. Ich steckte ihm den Brief ins Jackett, streichelte über die kalten Hände und fühlte seine Stirn, sie war eiskalt und hart, der Vergleich mit einer kalten Porzellantasse kam mir in den Sinn und endlich, endlich liefen die Tränen. Es wurde Zeit sich zu verabschieden und ich ging rückwärts bis zur Tür, ich wollte die letzte sein, die ihn dort so liegen sah. Irgendwie gab mir das etwas Trost.

Die Tage vergingen und ich war irgendwie in einem Vakuum, ich funktionierte, erklärte den Kindern, tröstete wo ich konnte, half meiner Mutter und dachte mir so manches mal: „Wer tröstet eigentlich mich?“. Unsere jüngste Tochter Laura schlief schlecht, sie wurde Nachts wach, hat dann bei uns im Bett geschlafen, weil sie immerzu ihren Opa sah, ich habe nur immerzu sein After Shave gerochen. Ich habe Laura dabei beobachtet, scheinbar schlief sie und als ob sie an unsichtbaren Schnüren hochgezogen wurde wie eine Marionette, setzte sie sich auf, riss die Augen weit auf und starrte ans Fußende. Wenn ich sie ansprach, reagierte sie erst nicht, dann jedoch legte sie sich wieder hin und kurz darauf schlug sie die Augen auf und flüsterte: „Opa war da, er sagt es geht ihm gut“, oder „heute hatte er seine Gartenjacke an, aber irgendwie hat er keine Zähne, aber er lacht“. So ging es einige Nächte und dann stand der Montag vor der Tür! Der Tag der Beerdigung! Mich packte die Angst, ich wollte das so nicht. Das hatte so was endgültiges! Zum ersten mal griff ich zu einer Beruhigungstablette. Als wir uns alle Richtung Friedhof in Bewegung setzten schwirrten mir die Gedanken: „Ich muß Mutti stützen, ob Renate gut auf die Kinder aufpasst?, muß ich nicht bei meinen Kindern sein, sie sitzen hinter mir, nicht bei mir, denn da sitzt Mutti und so drehten sich die Gedanken immer weiter. Als wir aus dem Auto stiegen trauten wir unseren Augen nicht! So viele Menschen standen dort, das hätten wir nie für möglich gehalten. Eine Umarmung hier, ein Schulter klopfen da, gemurmelte Worte des Mitleids, wir ließen alles über uns ergehen und betraten dann die Halle wo der Sarg schon aufgebahrt war. Darin lag also nun mein Papa, mit den Rosen und den Briefen und Bildern. Ich konnte es nicht begreifen. Ich sah das der Pastor kam und einige Worte sprach und dann war dieser Teil vorbei. Wir folgten dem Sarg nach draußen, durch ein Menschenmeer. Ich sah sie alle und doch wieder nicht. Die Kinder waren sehr tapfer, gingen direkt hinter uns, meine Mutter murmelte nur immer wieder nein, nein, nein. Der Moment des letzten Segens kam und der Sarg wurde in die Erde gelassen. Das war der Moment der mich aus meiner Lethargie riss. Alles in mir wollte dem nach, ich wäre am liebsten hinterher gesprungen. Es war unerträglich zu sehen wie langsam eine Schaufel Erde der nächsten folgte. Ich war so wütend, so traurig so verletzt und musste doch brav meine Rolle spielen.

Am Nachmittag haben wir das Grab noch mal besucht, die Blumen leuchteten schon von weitem und in mir machte sich wieder eine seltsame Ruhe breit. Fast so als sei eine Last von mir gefallen. In der Küche meiner Mutter viel mir meine älteste Schwester Renate um den Hals und weinte bitterlich: „Der arme Kalle, nun liegt er da in der kalten Erde, so ganz allein“, ich dachte nur während ich sie hielt: „Was will sie eigentlich, es ist mein Vater, nicht ihrer (meine Schwestern sind aus erster Ehe meiner Mutter), aber ich wusste auch gar nicht mehr ob und was ich fühlte, für uns ging das Leben weiter. Wenn auch anders, selbst wenn man glaubt, es kann gar nicht weiter gehen, so ist die Zeit doch unerbittlich und rückt Stunde um Stunde vor.

Jeden morgen ging ich zum Grab, sogar zusammen mit Topsi, sie schien auch zu spüren das es der geliebte Opa Kalle war, der dort lag. Als es Nachts anfing zu regnen, wäre ich am liebsten hingelaufen und hätte mich darüber geworfen, so unerträglich war mir der Gedanke das der ganze Schlamm den Sarg tief in der Erde erreicht und alles durchweicht.

Nun kam die Zeit unseres geplanten Urlaubes, der Hausarzt meinte wir sollen auf jeden Fall fahren und so kam es das wir meine Schwester Doris noch mitnahmen. Maik und Laura fuhren mit Papa und Topsi im Sharan, mit den ganzen gepackten Sachen, Lebensmitteln und Surfbrettern, ich fuhr das Auto meines Vaters, was er erst vor knapp 4 Wochen gekauft hatte, darin saßen meine Mutter, meine Schwester und Julia, meine älteste Tochter. Schon als wir aus dem Ort heraus fuhren, hatte ich das Gefühl ich würde meinen Vater im Stich lassen und innerlich weinte ich bittere Tränen, doch ich fuhr dem vorausfahrenden Auto einfach hinterher. Es war wie in einem schlechten Traum. Mit jedem Kilometer den wir zurück legten, starb irgendwie ein Teil von mir und doch kamen wir nach 7 Stunden fahrt an unser Ziel an.

Wir holten die Schlüssel für unser Haus und fingen an uns einzurichten. Irgendwie hatte uns der Alltag wieder…. Abends saßen wir lange gemeinsam auf der überdachten Terrasse und erzählten. Meine Mutter erzählte viel aus ihrem Leben, Dinge von denen ich bisher keine Ahnung hatte. Ein seltenes Gefühl des Zusammenhaltes entstand und auf unsere Weise ließen wir meinen Vater daran teilhaben.

Trotzdem übermannte mich noch die Trauer, so auch am 14. Tag nachdem er von uns gegangen war. Ich stand im Garten mit unserer Topsi und mir liefen die Tränen, mein Mann kam dazu und fragte mich: „Na, denkst du immer noch daran?“. Ich schaute ihn an und war fassungslos! Ich fragte mich allen ernstes, wer war eigentlich dieser Mann mit dem ich seit 22 Jahren zusammen war und 3 gemeinsame Kinder hatte. Wortlos griff ich die Hundeleine und lief Richtung Strand. In den Dünen suchte ich mir eine einsame Stelle, die so schnell niemand finden konnte, weit weg von den Wegen. Weinend saß ich da im Sand, Topsi legte ihren Kopf auf meine Schenkel und winselte mit mir mit. Ich sah die Möwen, das Meer, den blauen Himmel mit den weißen Wolken die locker vorbei zogen und es war so ungerecht das dies mein Vater nicht mehr erleben und genießen durfte. Es tat so weh!

Als ich zum Haus zurück kam war die Stimmung eisig. Mein Mann zeigte kein Verständnis für mein Verhalten und so gingen wir wortlos ins Bett. Meine Gedanken kamen und kamen nicht zur Ruhe, mein Herz war schwer und fühlte sich wund an, ich fühlte mich so einsam und allein, obwohl Jörg keine 20 cm neben mir lag. Doch irgendwann schlief ich ein.

Diese Buch „Barfuss übers Lavafeld“ schrieb ich mir sozusagen von der Seele, mein Abschied von meinem Papa, meiner Schwester, meinem Exmann, meinem alten Leben und vielen anderen Dingen. Nichts bleibt wie es war, alles ändert sich! DAS ist die einzige Konstante im Universum……

Herzlichst, Sabine

Wenn Trauer die eigenen Enkel verstößt….

Ihr Lieben,

heute schreibe ich einen sehr persönlichen Artikel….. ich weiß durchaus, das dies auch aus der Emotion heraus geschieht, jedoch muß es raus! Ich hatte durchaus vor wenigstens eine Nacht darüber zu schlafen, doch gelingt mir das leider nicht……. bin halt auch nur ein Mensch!

Wer mich etwas kennt und den einen oder anderen persönlichen Artikel hier von mir gelesen hat, weiß um die Trauerfälle innerhalb meiner Familie und auch darum, das die Familie durch die Trennung von meinem ersten Mann und seinem späteren Suizid in 2 Teile gespalten ist. Unsere 3 gemeinsamen Kinder waren plötzlich nur noch „meine“, die Großeltern Väterlicherseits mieden den Kontakt….. erst kaum merklich, doch dann immer mehr. Dieses mündete sogar darin, das sie weder erfuhren, das der Großvater vor kurzem im Krankenhaus war. Ich ermunterte die Kinder (inzwischen ja junge Erwachsene, trotzdem MEINE Kinder!) nochmal den Kontakt zu suchen, um zu klären, denn eines Tages wird es dann dazu zu spät sein.

Mein Sohn hat es getan, er fuhr ins Krankenhaus um den Opa zu besuchen und wurde mit den harten Worten empfangen: „Was willst du denn hier?“.  Eine Versöhnung oder ein Zulassen gab es nicht. Doch für meinen Sohn war es wichtig, es zumindest versucht zu haben.

Meine Töchter gingen anders damit um. Die Jüngste bot der Großmutter an, sie auch mal ins Krankenhaus zu fahren, doch die Oma drehte sich immer weg. Selbst wenn sie ihr mit ihrem Hund auf der Straße begegnete….. ich kann nur erahnen, was dieses Verhalten in den Seelen anrichtete.

Meine Große war diejenige die versuchte aus der Ferne, wenigstens ab und an Kontakt zu halten, wie Anrufe zu den Geburtstagen, Weihnachten und mal zwischendurch, doch immer wieder wurde sie mehr oder weniger abgewimmelt….. sogar auf einen 4 Seiten langen Brief im letzten Jahr kam keine Antwort. Nach Außen hin tat sie immer, als sei ihr das dann egal, wenn etwas geschieht, doch wir wissen ja alle, wenn dann etwas Eintritt, wie ein Todesfall, dann kommen natürlich Trauer und auch mitunter unverarbeitete Dinge hoch.

Der Gipfel war jedoch, das wir vor ca. 2 Wochen aus der Zeitung erfuhren, das der Opa nun verstorben sei! Das Inserat war im kirchlichen Teil der Tagesszeitung, also keine Traueranzeige der Familie, denn sie wollten ja nicht, das meine Kinder etwas erfahren! Doch durch diese kleine fast unscheinbare Anzeige brach natürlich die kleine, bereits von Scherben und Trümmern übersähte Welt der Kids zusammen – mal wieder 😦

Die Danksagung jedoch einige Tage später war unterschrieben mit: Im Namen der gesammten Familie   – welch ein Hohn!

Ich versuchte zu dem Zeitpunkt noch heraus zu finden, wann die Trauerfeier sein würde, doch es war bereits alles zu spät und „gelaufen“! Die Kinder hatten keine Möglichkeit mehr, bei einer Trauerfeier gemeinsam von ihrem Großvater Abschied zu nehmen. Mir zerriss es innerlich schier das Herz. Ich spürte die Wut, die Trauer, die Traurigkeit und Fassungslosigkeit und konnte doch nichts tun. Also schrieb ich, nach 7 Jahren Funkstille mit mir und der Familie meines Exmannes, an meine Exschwiegermutter einen langen Brief, eine Kopie davon ging an meinen Exschwager. Ich wollte sie aufrütteln, erinnern, das ja in den 3 Kindern ein Teil ihres Sohnes weiter lebt und sie ja damals immer gern bei uns waren oder auch die Kinder zu sich holten…… natürlich kam da keine Reaktion! Doch mir war es wichtig auch mitzuteilen, das ich mich mit meinem Exmann ganz kurz vor seinem Tod ausgesprochen hatte. Nur wurde ich durch meinen letzten Besuch bei ihm als Schuldige abgestempelt, denn für diese Familie stand fest: Ich hatte ihn in den Tod getrieben! Ich schwieg damals, weil ich wusste, es war seine Entscheidung so von dieser Welt zu gehen….. das kann man hier im Blog alles nachlesen…..

Meine älteste Tochter war jedoch nun über diese Botschaft vom Tode des Opas und das man sie und ihre Geschwister so außen vor gehalten hat, vollkommen außer sich. Am liebsten hätte sie eine Anzeige in die zeitung gesetzt, doch ich konnte sie überzeugen, das sie damit nichts gewonnen hat. Sie schrieb also einen Brief an ihre Oma….. erzählte von ihrem Leben in der Zwischenzeit, bat um Kontakt, hin und wieder einen Anruf und wollte natürlich auch klar wissen, ob die Oma noch weiteren Kontakt wünschte oder nicht.

Vorgestern geschah dann sozusagen ein „kleines Wunder“, denn die Oma rief sie tatsächlich an. Sie war einverstanden das es hin und wieder ein paar Telefonate geben sollte, vielleicht sogar auch mal ein Treffen, ein gemeinsames zum Friedhof gehen, und sie sagte auch, das sie wohl auch einiges falsch gemacht hätte, der Opa jedoch aus verschiedensten Gründen nun mal nicht wollte das die Kinder davon erfahren. Meiner Tochter gelang es zu sagen: „Schwamm drüber, das kann ich jetzt so akzeptieren, lass uns doch nochmal gemeinsam neu anfangen!“.  In meinen Augen zeugt das von wahrer Größe!

Sie war so glücklich! Ich freute mich sehr für sie und hatte doch ein Ungutes Gefühl. Meine beiden anderen Kinder waren von dieser Vorgehensweise, also von dem verschweigen, so getroffen, das sie sagten, im Augenblick sind sie zu wütend, würden selbst keinen Kontakt mehr wollen – jedenfalls für die nächste Zeit nicht. Konnte ich auch verstehen!

Nun, mein ungutes Gefühl hat sich heute bestätigt 😦

Meine Tochter rief mich an um zu sagen, das die Oma erneut anrief um ihr nun mitzuteilen, das sie doch keinen Kontakt mehr will. Sie hätte auf Grund des Briefes so unruhig geschlafen und sie sieht ihren verstorbenen Mann im Traum, also möchte sie das bischen Zeit was ihr noch bleibt lieber in Ruhe leben!

UNFASSBAR!!!! Ich gebe zu, ich bin so wütend! Meine Tochter ist so unendlich traurig, enttäuscht, maßlos entsetzt…. nun muß sie auch noch damit wieder fertig werden.

Mein Sohn sagte darauf zu mir, es sei ihm egal (was ich nicht wirklich glauben kann), doch er ist sich sicher, das es eines Tages, wenn es einen Himmel gibt, die Antwort geben wird für dieses Verhalten und zwar von seinem Vater an dessen Mutter! Dieses scheint ihm ein kleiner Trost zu sein…… und ich wieß durch eine liebe Freundin, die mir schon einige Male ermöglicht hat über sie mit meinem verstorbenen Exmann zu kommunizieren, das er für dieses Verhalten so gar kein Verständnis hat und es nicht gutheißen kann.

Sein eigener Vater, dem sei er im Jenseits bereits begegnet, doch hätte er ihn nicht als seinen Sohn erkannt, weil er noch zu sehr in seiner eigenen Verbitterung gefangen sei. Diese Verbitterung und auch die Schuldgefühle haben ihn buchstäblich in den letzten Jahren von innen aufgefressen! Er hatte Krebs, äußerst agressiv!

Nunja, das musste nun einfach mal raus……. und ich werde mir mit meinen Kindern gemeinsam etwas überlegen, wie wir weiter vorgehen werden….  Ich weiß durchaus, das der Schmerz einer Mutter unermesslich ist, wenn sie auf welche Weise auch immer ein Kind verliert, doch sind die eigenen Enkel denn so gar nichts wert? Ich finde dieses Verhalten so herzlos, zumal es ja noch einen Sohn (mein Exschwager) gibt, der widerum einen Sohn hat. Für den ist sie ja wohl nach wie vor da.

Es scheint zu stimmen was meine Kinder vor einigen Jahren sagten, als dieses Kind auf die Welt kam:

„Mama, nun haben sie einen neuen Enkel, nun wollen sie uns nicht mehr!“

Trauerarbeit

Trauerarbeit

Der Tod gehört zum Leben dazu wie die Geburt. Hierzulande wird eine Geburt bejubelt und ein Tod beweint. Natürlich ist es schwer, einen geliebten Menschen gehen lassen zu müssen, in der Gewissheit, diesen hier auf Erden nie wieder zu sehen, nie wieder mit ihm/ihr zu frühstücken, zu reden, zu spielen, zu streiten, zu lieben u.v.m.

Doch versuchen Sie bitte, wenn auch nur für eine Weile, mal Ihre vorgefasste Meinung zum Thema Tod, beiseite zu schieben und eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

Wie ich oben schon schrieb, eine Geburt wird bejubelt und der Tod beweint. Setzen wir einmal voraus, eine Seele inkarniert mehr als einmal auf dieser Welt, dann verlässt sie mit dem Zeitpunkt der weltlichen Geburt eine andere Heimat, einen anderen Raum und wenn diese Seele ihre Aufgabe hier erfolgreich beendet hat, kehrt sie wieder dorthin zurück.

Also ein kurzer Vergleich:

Eine Geburt hier wird freudig begrüßt und drüben? Wird dort geweint? Der Tod hier wird betrauert und drüben? Wird er freudig begrüßt?

Dieser Gedanke hat für mich etwas Tröstliches an sich.

Ich selbst habe schon sterbende

Menschen begleitet, gespürt als die Seele

den Körper verließ, wie sie empfangen

wurde von anderen Seelen, die diese

eine Seele buchstäblich „abholten“, um sie wieder nach Hause zu begleiteten.

Der Tod an sich ist nichts wovor man sich fürchten muss, im Gegenteil.

Man betritt einen neuen Raum, durchschreitet eine Tür und ist wieder eins mit seiner Seelenfamilie, kehrt Heim!

Für die Hinterbliebenen bleibt die Trauer, der Verlust, der Schmerz, doch darin liegt auch

eine Gewissheit, dass es dem „Vorangegangenen“ gut geht, befreit von der Last des Körpers,

der Schmerzen, der Pein. Sicher, ein

schwacher Trost, doch  ich bin mir sicher,

wir werden uns alle wieder sehen!

Gedanken zum Thema Tod

Denk Dir ein Bild:

Ein weites Meer – ein Segelschiff setzt seine weißen Segel und gleitet hinaus in die See.

Du siehst wie es kleiner und kleiner wird.

Wo Wasser und Himmel sich berühren verschwindet es.

Da sagt jemand: „Nun ist es gegangen!”

Ein anderer aber sagt:

„Es kommt!“

Der Tod ist ein Horizont, und ein Horizont

ist nichts anderes als die Grenze unseres

Sehens.

Wenn wir um einen Menschen trauern

freuen sich andere, die ihn hinter dieser

Grenze wieder sehen.

-Otto Streiff-

Solltest DU Hilfe benötigen, weil DU um einen geliebten Menschen trauerst, so schau bitte unter „meine Angebote“. ICH bin gern für dich da!

Ein weiterer Verlust

…… ein weiterer kurzer Auszug aus meinem leider nicht mehr erhältlichen Buch  

„Barfuss übers Lavafeld“:

…………

Am folgenden Tag unternahm Renate, meine älteste Schwester, mit Tabletten einen Suizid- Versuch, und mein Sohn kam mit einem Katzenbaby nach Hause, dessen Mutter überfahren wurde. Ich dachte nur: „Einer geht und einer kommt!“

2 Tage lag sie noch im Krankenhaus an den Apparaten, Hirntot, doch die Maschinen durften erst abgestellt werden, als der Giftcocktail heraus war. Ich nahm alles mit seltsamen Abstand war. Natürlich war ich betroffen, doch zu der Zeit wusste ich schon vieles über Spiritualität und das die Seele ihren Weg schon vorher plant um bestimmte Erfahrungen zu machen, wusste, dass sie ganz gehen musste, sie hatte sich für diesen Weg entschieden. Ich stand am Tag darauf an ihrem Krankenbett und schaute sie an. Links stand mein Schwager, rechts meine Mutter und ich fragte mich, für wen das denn wohl nun schlimmer wäre. Ich diskutierte mit den Ärzten, Neurologen und Schwestern, jeder sagte, dass sie zu 99% hirntot sei und nicht selbst atmen könne, aber wie gesagt, die Maschinen könnten erst abgestellt werden, wenn alles an Medikamenten aus ihrem Körper heraus war. Dann würden noch weitere Tests folgen, und wenn es dann bei einer Null Linie im EEG bliebe, dann und erst dann könnte man die Geräte ausstellen. Grübelnd stand ich vor den Maschinen und suchte den Knopf, den man drücken oder den Stecker, den man ziehen müsste, doch Alfons sagte : „Wenn das jemand tut, dann ich, du musst für deine Kinder da sein!“

Ich war wütend, das ganze war menschenunwürdig, niemand hatte Hoffnung, und doch arbeiteten die Organe einwandfrei. Allerdings rechneten die Ärzte damit, dass der Kreislauf sogar von alleine versagen könnte. Doch immer, wenn mein Schwager sprach, stieg ihr Puls an, und ich brauchte Erklärungen. Also rief ich Erika Schmitt an, bei ihr hatte ich vieles gelernt, was für den menschlichen Verstand nicht greifbar war und fragte nach, was denn da eigentlich los sei. Sie nahm Kontakt zu Renates Seele auf und erklärte mir, dass sie nicht mehr in ihren Körper zurück könne, und dass sie nun Angst hätte, doch sie spürte, dass wir bei ihr waren. Ich solle auf meine innere Stimme hören, denn ich wüsste genau was zu tun sei.

Eine Krankenschwester bot an, mit der Seelsorge zu sprechen, beide lehnten erst ab, doch ich bestand darauf. Die Pastorin kam und führte uns in einen kleinen Raum, begann das Gespräch damit das niemand Schuld habe, das es ihr eigener Entschluss war und wir sie nun gehen lassen müssten. Ich sprach zuerst mit ihr, darüber, was in mir vorging, das gab meiner Mutter und auch Alfons Mut. Sie suchten im Anschluss nochmals das Gespräch, es tat einfach gut mit jemanden darüber zu sprechen, den Schmerz heraus zu lassen. Diese Gelegenheit nutzte ich um alleine mit meiner sterbenden Schwester zu sprechen. Dazu hielt ich ihre Hand und schaute immer wieder auf die Monitore, die ihren Herzschlag aufzeichneten und auch die Hirnströme. Als ich Anfing zu reden fiel erst ihr Puls etwas ab, doch als ich erwähnte, das sie ruhig gehen darf, es sogar muß, das sie keine Angst zu haben braucht, das alles gut sein würde, da schoss der Puls nach oben. Es war unglaublich. Ich sah in ihr Gesicht, jedoch keine Regung, ihre Hand lag warm in meinen, kein Druck, kein Flattern zu spüren, aber ihr Puls raste.

Zu dem Zeitpunkt waren meine Schwestern total zerstritten, es ging um das Erbe der gemeinsamen Oma und meine Mutter redete kein Wort mehr mit Doris, mein Schwager Alfons verbot sogar, dass Doris im Krankenzimmer Abschied nehmen durfte, doch dann fragte er mich, warum Renate nicht von alleine gehen würde.

Auf einmal war alles klar, meine Aufgabe bestand darin, dass sich meine Schwestern verabschieden können und darin, den Familienfrieden wieder herzustellen. Meine Mutter, die Erika ja auch kannte, flehte mich an, dass ich Alfons davon überzeugen solle, das Vergebung die höchste Art war, Respekt zu zeigen, vor uns allen und vor meiner sterbenden Schwester.

Ständig war ich am telefonieren, doch Doris war schon mit ihrem Mann Lothar nach Süddeutschland unterwegs. Sie durfte nicht ans Sterbebett unserer Schwester und wäre daran fast zerbrochen. Ihr Mann wollte sie ablenken, deshalb waren sie, als Alfons endlich bereit war, sie zur ihr zu lassen, schon fast 400 km weit weg. Sie würden es nicht rechtzeitig schaffen, um noch rechtzeitig da zu sein, denn der letzte Neurologische Test stand nun unmittelbar bevor. Wir mussten die Intensivstation für etwa eine Stunde verlassen. Zuerst gingen wir im Park spazieren, meine Mutter und ich setzten uns dann in die Cafeteria, beobachten Alfons dabei, wie er vor den Fenstern auf und ab lief, nervös eine Zigarette nach der anderen rauchte und die Minuten vergingen quälend langsam.

Der Anruf der Ärztin kam, der Test sei vorbei und wir könnten zurück auf das Zimmer. Den langen Gang dorthin im Bewusstsein, das wir nun zu meiner Schwester gingen um sie beim Sterben zu begleiten. Meine Mutter wurde auf dem Weg dorthin immer langsamer und unglücklich standen wir vor der Tür der Intensivstation. Niemand mochte auf die Klingel drücken, damit wir eingelassen werden. Keine Ahnung wer letztendlich dann doch den Knopf drückte und als kurze Zeit später der Türsummer ertönte hatte das etwas sehr grausames an sich.

Der Test erbrachte wie erwartet keine Reaktionen und die Ärztin fragte uns, ob wir noch Zeit zum verabschieden brauchten. Alfons wäre beinahe geplatzt, er schrie: „Wir haben uns jetzt 3 Tage verabschieden müssen“. Als dann die Maschinen abgestellt wurden, hielt ich Renates linke Hand, Alfons ihre rechte, meine Mutter stand weinend am Fußende und streichelte über ihre Beine. Ich sprach Gebete und bat die geistige Welt ihr zu helfen.

Es dauerte eine Ewigkeit bis der Herzschlag nachließ und es tat weh, sie dort so liegen zu sehen, ich war so machtlos. plötzlich verstärkte sich ihr Griff um meine Hand, die zusammen mit ihrer auf ihrer Hüfte lag, und sie zog den Arm mit aller Kraft an ihre Brust, zeitgleich drehte sie ihren Kopf in die Richtung ihres Mannes und ich rief nur panisch: „ich bin das nicht, das macht sie, ich bin das nicht!“, und ich suchte verzweifelt den Schalter um das Beatmungsgerät wieder einzuschalten. Meine Mutter und mein Schwager sahen dies mit weit aufgerissenen Augen, doch wir konnten nichts tun. Dann wurde es weniger, der Druck ließ nach und ihr Kopf und der Arm rutschten wieder in die alte Position zurück. Ihre Finger waren auf einmal sehr kalt und ich griff mit der anderen Hand an ihren Arm, und zu prüfen, wie dort die Temperatur war. Ich konnte mit meiner rechten Hand förmlich verfolgen wie die Kälte auf ihrer Haut langsam aber sicher Richtung Oberarm wanderte. Der Monitor zeigte kaum noch einen Puls, und die Ärztin kam rein, um auch dieses Gerät auszuschalten. Sie schrieb die Uhrzeit auf für den Totenschein und bat uns, nun das Zimmer zu verlassen. Wir könnten in ungefähr 30 Minuten wieder kommen, dann wären die Schläuche entfernt und man hätte sie dann aufgebahrt. Ich schaute auf die Uhr, das ganze hatte fast 15 Minuten gedauert, ich war tief erschüttert. Ohne etwas zu sagen, sind wir drei wieder  in den Park gegangen und jeder führte einige Telefonate. Alfons mit seiner Mutter, meine Mutter mit Ellen und Bernd, ich mit meinen Kindern und Erika. Diese sagte mir, dass ich es sehr gut gemacht hätte, aber noch Arbeit auf mich warten würde, damit Renates Seele ins Licht gehen könnte. Wieder funktionierte ich nur, aber diesmal war es etwas anders. Ich wusste, dass ich noch etwas für sie tun konnte, und ich akzeptierte ihre Entscheidung, so aus dem Leben zu gehen.

Die Zeit vor der Beerdigung war noch mal richtig schlimm. Meine Mutter sagte, wenn Doris käme, bliebe sie weg und umgekehrt auch. Mir platzte fast der Kragen, ich knallte ihnen das Buch von Neale Donald Walsh, Ich bin das Licht, die kleine Seele spricht mit Gott, auf den Tisch und zischte, sie sollten das gefälligst lesen und dann entscheiden.

Alles beruhigte sich, und ich saß mit meinen Kindern in der ersten Reihe auf der linken Seite, meine Mutter mit Alfons und seiner Mutter rechts, meine Schwester kam erst später und setzte sich in die hinterste Bank, zusammen mit ihrer Familie. Ich beobachtete, dass sogar mein Nochmann erschien. Ich sah nur aus den Augenwinkeln seine Schuhe und wie er mit 3 gelben Rosen in seinen zitternden Händen am Sarg stand, dachte bei mir: „Siehst du, hier sitzt deine Familie und du gehörst nicht mehr dazu“. Später am offenen Grab gab er mir sogar die Hand und klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Es tut mir leid Maus!“, mir fiel der Unterkiefer herunter und zu meiner Mutter sagte er: „Na Schwiegermutter, nun reicht es aber hin, Kopf hoch!“. Ich wunderte mich über gar nichts mehr….

Nach dem anschließenden Kaffee trinken fuhr ich mit den Kindern nach Hause, Topsi musste ja schließlich raus. Auf dem Heimweg kam ich am Laden von Frank und Suse vorbei und davor stand der Wagen von Jörg. Ich schnappte mir meinen Hund und ging mit ihr Richtung Laden. Es war mir ein Bedürfnis ihm zu danken das er trotz allem dabei war. Wir wechselten ein paar Sätze doch dann ignorierte er mich total, streichelte nur den Hund wie verrückt.

In den folgenden Tagen und Wochen  tat ich noch einiges, um Renates Seele den Weg ins Licht zu ebnen. Zu dieser Zeit immer wieder bis tief in die Nacht Nachrichten und Telefonate mit Andreas. Sehr gefühlvoll, sehr intensiv…. Sehr nah……

Für Madita Löwenherz

http://maditaloewenherz.wordpress.com/

Heute habe ich hier bei WordPress einen anderen Blog gefunden (siehe Link oben!), der mich sehr berührt hat. Es ist die Geschichte und das Schicksal eines kleinen, tapferen Mädchens.

Ihre Mutter schrieb heute, das die Ärzte keine realistische Hoffnung mehr für sie sehen. Still las ich einige der fast täglich gemachten Einträge und auch einige der vielen Kommentare dazu.

Ein Kommentar von heute berichtet von einer Geschichte, ich ich im Zusammenhang mit dem Tod an sich sehr berührend und anschaulich finde. Wer mag, liest bitte die nachfolgenden Zeilen:

Liebe Mareike, lieber Johannes

da ich selbst nicht fähig bin, geeignete Worte zu finden, möchte ich Euch eine Geschichte erzählen, die sich vor etwas einhundert Jahren in Israel ereignet hat. Darin besuchte ein Mann, der Abdu’l-Bahá hieß, die schwerkranke Tochter einer Freundin und schenkte ihr zwei Rosen. Zu der Mutter sagte er in liebevollem Ton: „Du musst geduldig sein.“ Am Abend starb die Tochter, und Abdu’l-Bahá wurde gefragt, warum dies geschehen musste.
Er antwortete:
„Es gibt einen Garten Gottes. Die Menschen sind darin wie Bäume, und Gott ist wie der Gärtner. Wenn der Gärtner nun einen kleinen Baum im Garten sieht, an einem Platz, wo er sich nicht mehr entwickeln, also auch nicht mehr wachsen kann, so bereitet Er einen anderen, besseren Platz vor, pflanzt den Baum um, damit er weiter wächst und Früchte tragen kann. Die anderen Bäume wundern sich natürlich und meinen: „Das war ein so schöner Baum; warum hat der Gärtner ihn herausgerissen?“ Aber der göttliche Gärtner kennt den Grund.
Du weinst, aber wenn du die Schönheit des Ortes sehen könntest, wo dein Kind jetzt ist, so würdest du nicht länger traurig sein. Deine Tochter ist jetzt so frei wie ein Vogel und singt göttliche Melodien. Wenn du den heiligen Garten sehen könntest, du wolltest nicht mehr auf dieser Welt bleiben. Aber deine Aufgabe liegt nun einmal hier.“

Ich hoffe, dass wir uns in nächster Zeit wieder begegnen. Wenn ich irgendetwas für Euch tun kann, dann meldet Euch bitte.

Euer Robert

Abschied – Teil 2

Es folgt ein weiterer Auszug aus meinem ersten Buch „Barfuß übers Lavafeld“, welches leider nicht mehr im Handel erhältlich ist. Doch auch diesen Auszug hier möchte ich gern mit euch teilen:

Bis Freitag hörte ich nichts von ihm, auch nicht von meiner Tochter, bis auf einen kurzen Anruf, ob ich sie nun zu ihrem Vater abgeschoben hätte, das tat sehr weh, aber ich bleib hart, ich konnte ihren Schmerz verstehen, doch ich wollte mich nicht mehr erpressen lassen. Am Abend sind Andi und ich essen gegangen….. und ich konnte es mir nicht verkneifen einen Zettel mit der Bitte um Rückruf bei meinem geschiedenen in den Postkasten zu stecken…. Andi meinte das bringt nichts, doch am Samstag hatte ich einen Anruf auf meinem Handy…. Mein Ex…. Somit hatte ich nun auch seine neue Handynummer. Ich rief ihn zurück und er fragte mich ob wir uns denn noch nicht eingekriegt hätten. Ich sagte nein und das es auch eine Frechheit sei das er einfach den Unterhalt gekürzt hätte ohne mir vorher bescheid zu geben. Seine Stimme klang so traurig und er fragte mich dann was ich seiner Exfreundin über ihn erzählt hätte..

Ich versuchte es ihm zu erklären, doch in 3 Sätzen am Telefon ging das nicht, also schlug ihm vor das wir uns auf einen Kaffee treffen könnten. Nach kurzem zögern stimmte er zu, komischerweise war meine ganze Wut verraucht und ich  konnte gar nicht schnell genug los, hatte irgendwie Panik und das Bedürfnis alles stehen und liegen zu lassen um zu ihm zu fahren. Von unterwegs rief ich Andi an um ihm das mitzuteilen, er war nicht gerade begeistert aber ich versprach mich zu melden wenn ich da wieder raus sei.

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Dann stand ich vor Jörgs Tür, er öffnete mit den Worten: „Meinst du nicht ich habe andere Probleme?“. Ich war erschüttert wie er aussah…. Er war immer ein schlanker Mann, aber heute war er ausgemergelt, tiefe Schatten unter seinen Augen, rot geweinte Augen…. Er sah so elend aus….

Er bot mir etwas zu trinken an, er hatte aber nur einen Rest Wasser und ich sagte egal ich trinke auch Wasser aus der Leitung…. Und dann redeten wir….über seine Anja ich versuchte ihm zu erklären was in ihr vorgegangen sei bei der Trennung und er weinte und am liebsten hätte ich mit geweint, ich versuchte ihm Mut zu machen und versprach ihm dafür zu sorgen das es zwischen beiden eine Aussprache geben würde, da ich ja nach wie vor mit ihr in Kontakt stand über das Internet. Er zitterte am ganzen Körper, die Tränen liefen und er sagte zu mir. Das hört sich jetzt bestimmt blöd für dich an, wir waren schließlich 25 Jahre zusammen und haben 3 Kinder, aber diese Frau ist die Liebe meines Lebens, ich habe noch nie jemanden so geliebt wie sie…. Mir schnürte es das Herz und die Kehle zu, ich spürte wie sehr er litt und versprach noch mal alles dafür zu tun das sie sich aussprechen können, was sie daraus machen würden, wäre dann ihre Sache. Er meinte dann noch das ich wenigstens glücklich werden sollte….. und dann bat er mich zu gehen….. er stand auf und wollte mich zur Tür begleiten, dann viel ihm auf das wir noch nicht über unsere Tochter gesprochen hatten… ich fing kurz an und merkte aber das er dafür gar nicht den Kopf frei hatte. Ich sagte ihm dann noch: „Jörg hör mal wir waren 25 Jahre zusammen. Egal was war, lass uns endlich einen Schlussstrich ziehen und nach vorne schauen, wir müssen ja nicht die besten Freunde werden, aber einen normalen Kontakt sollten wir schon wegen der Kinder pflegen!“. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und wäre am liebsten zurückgezuckt, nur Haut und Knochen…..Mitleid regte sich in mir und mit Tränen in den Augen sagte ich zu ihm, komm lass dich einfach mal in den Arm nehmen, er weinte wieder, legte kurz seinen Kopf an meine Schulter und stieß mich dann abrupt zurück…. Ich solle mir keine Sorgen machen, er spricht mit Laura und alles wird gut. An der Tür stand er da wie ein Häufchen Elend und sagte: „Ich kann nicht mehr!“….. Ich gab ihm die Hand und sagte er solle sich ausruhen und einige Tage abwarten, ich melde mich sobald ich was von Anja höre und dann ging ich…. Im Flur hatte ich das starke Gefühl mich noch mal umzudrehen, doch so sehr ich es auch wollte, es ging nicht…… Im Auto rief ich Andi an…. Ich kämpfte mit den Tränen, sagte irgendwas sei anders und es hat mich wahnsinnig viel Kraft gekostet. In mir war eine tiefe tiefe Traurigkeit….

Kurz darauf hatte ich die Eingebung einen gemeinsamen Freund – Frank – anzurufen, ich berichtet ihm wie geschockt und entsetzt ich sei und er versprach mir das wir am Nachmittag darüber reden würden…. Was wir auch taten. Wir machten uns Sorgen und er sagte, das er versuchen würde Kontakt aufzunehmen. Ich spürte wie viel Kraft mich dieser Tag kostete und ich verspürte das Bedürfnis Jörg eine SMS zu schreiben mit der Bitte das ich doch seine Handynummer an die Kinder weiter reichen dürfte und das er Ruhe bewahren soll. Es kam keine Antwort. Ich war sehr unruhig, sprach mit Andi darüber, das ich das Gefühl hätte, das heute irgendetwas anders gewesen sei und wie sehr mich diese Begegnung in meinen Grundfesten erschüttert hatte. Schließlich waren wir 25 Jahre zusammen und nicht alles war schlecht. Ich verstand ja heute sogar, warum er so war. Er muss damals auch sehr gelitten haben, ein Leben gelebt haben, das er eigentlich so nicht wollte….

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Mir war für den Rest des Tages nur noch kalt, das ging den ganzen Abend so, trotz dicker Klamotten und Decke fror ich innerlich….. am nächsten Tag wusste ich auch warum….. gegen Mittag rief Julia, meine älteste Tochter an, sie weinte und schrie das sich ihr Papa aufgehängt hätte…… ich war entsetzt!!! Hätte ich DAS merken müssen? Hatte ich etwas gesagt was ihn dazu veranlasst hat?? Meine Gedanken kreisten….. dazu die Angst, wenn seine Familie von meinem Besuch erfuhr, dass sie mich beschuldigen würden. Es zog mir förmlich die Beine weg. Ich saß mitten im Flur und versuchte zu verstehen, was geschehen ist. Es war unfassbar. In mir krampfte sich alles zusammen, das habe ich nicht gewollt, habe ich wieder mal versagt? War ich schuld? Und ausgerechnet heute wollten wir uns wieder eine Wohnung ansehen. Andi wollte absagen, doch ich wusste, das ändert ja nichts. Ich versuchte mich zu beherrschen, redete mir ein das ich ja im Grunde kein Recht hätte zu trauern und schluckte die Tränen runter. Meine Mutter rief an und meinte ich solle nach Hause kommen, ich war am überlegen, fühlte mich unfähig doch die Kinder brauchten mich.
Als wir von der Wohnungsbesichtigung kamen saßen wir noch im Auto und Andi redete auf mich ein, ich solle mir keine Vorwürfe machen, es würde sich unterm Strich nicht viel für mich ändern, denn die Kinder erzog ich ja die letzten Jahre sowieso fast alleine und ja, auch er wäre traurig, wenn seiner Expartnerin etwas zustoßen würde. Da war sie wieder…. Die Gundula, doch ich schob es weg, ich stand eh wie unter Schock.

An dem Abend fuhr ich also heim zu meinen jüngeren Kindern, erstmals auch wieder Kontakt zu Laura, ihr Vater hatte sie natürlich nicht mehr angerufen und seine Eltern wussten bereits von ihm selbst das ich bei ihm war. An seinem letzten Tag, in der Zwischenzeit wo wir sprachen und bis ich bei ihm war, telefonierte er mit seiner Mutter, sagte ihr Mama hilf mir, doch sein Vater wollte wohl erst am kommenden Tag zu ihm fahren.

Wie verzweifelt er gewesen sein musste stellte sich erst nach und nach heraus.

Ich traf Laura auf dem Markt, sie stand dort mit ihren Freunden, ich hielt an und sie stieg in mein Auto, die Begrüßung war reserviert, sie sah schlecht aus, dicke Augenränder doch sie wollte nach außen hin tapfer wirken. Gemeinsam fuhren wir zu meiner Mutter und redeten. Ich berichtete vom gestrigen Tag und der Unterhaltung die Jörg und ich führten. Laura wollte wieder zu ihren Freunden und die Nacht bei ihrem Freund Andre verbringen. Ich willigte ein, denn dort war sie sicher im Augenblick besser aufgehoben als zu Hause.

Ich brachte sie wieder zum Treffpunkt und wir verblieben so, das wir am anderen Tag telefonieren würden. Ich fuhr ins Haus um nach Maik zu sehen, er war die Nacht zuvor zum Nachtangeln und lag auf seinem Bett und schlief tief und fest. Ich strich ihm mehrfach über die Haare, doch er regte sich nicht, auch er war sehr blass und sah so unendlich traurig aus. Ich fragte mich innerlich: „ Jörg, was hast du da getan?“, doch ich bekam keine Antwort.

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Die Fahrt zurück nach Braunschweig geschah irgendwie automatisch, ich weiß nicht, wie es mir gelang das Auto zielsicher und ohne Schwierigkeiten bis zum Parkplatz vor Andis Haus zu lenken. Im nach hinein kann ich mich an diese Fahrt nicht mehr erinnern. Ich war wie ferngesteuert und froh, endlich wieder bei ihm zu sein. Eine bleierne Müdigkeit überkam mich und wir gingen dann bald ins Bett. Andi hielt mich tröstend fest und ich fühlte mich ironischerweise an unsere erste gemeinsame Nacht erinnert. Meine Gedanken schweiften ab, erinnerten sich an die damaligen Gedanken die ich hatte und dann wieder zurück zum gestrigen Tag. Immer und immer wieder ging ich von Anfang bis Ende das Gespräch mit Jörg durch, suchte nach dem Punkt, der die Wende hätte bedeuten können, wo hätte ich ihn retten können, wo war der Punkt, der sein Fass zum überlaufen brachte. Ich fand keine Antworten, ich fühlte mich so leer und traurig, ich dachte sogar ganz kurz daran, das er es wieder geschafft hätte, das ich mein Leben ändern müsste und darüber erschrak ich sehr. Ich schlug die Augen auf und war nicht sehr überrascht im Türrahmen seine Gestalt zu sehen. Er war wie in einem Nebel, oder ein Hologramm, aber er war da. Wir schauten uns an und seine Augen waren nicht mehr ganz so traurig wie am Vortag. Ich wusste das er erst jetzt begriff, was er sich und den Kindern und auch seiner Familie angetan hatte, doch es gab für ihn keinen Weg zurück. Ich hatte die Worte „Verzeig mir“ im Kopf und ich nickte nur ganz kurz und er verschwand. Endlich konnte ich dann einschlafen.

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Gegen Mittag betrat ich dann also mit meinem Sohn und meiner jüngsten Tochter wieder seine Wohnung. Maik hatte die Schlüssel von der Kripo bekommen und es mussten ja einige Unterlagen geholt werden. Laura betrat zum ersten mal diese Wohnung ihres Vaters….und an der Stelle wo er sich das Leben nahm lagen noch die Handschuhe, seine Klamotten und das Lederband an dem er sich erhängt hatte. Mein Wasserglas stand noch auf dem Tisch im Wohnzimmer…… alles schien irgendwie unverändert…. Und unfassbar……gespenstisch.

Laura wollte alles genau wissen, fragte wo er gesessen hätte und wo ich war, wollte sehen wo er geschlafen hatte, schaute in den Kühlschrank, im Schlafzimmer öffnete sie eine rote Box, darin waren Liebesbriefe und Bilder von der Anja. Das Bett war nicht gemacht, ein langer Schlafanzug lag darin und noch eine rote Decke, scheinbar hatte er sehr gefroren, obwohl die Wohnung warm war, doch so ausgemergelt wie er am Ende war hatte er ja auch nichts mehr zuzusetzen.

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Dienstag sind die Kinder gemeinsam mit ihren Großeltern zum Bestatter gefahren um alles zu klären, die Hauptlast lag dabei auf meinem 19jährigen Sohn, er meisterte alles mit Bravur… ich riet ihm vorher noch, sich immer mit den Großeltern abzusprechen, bevor etwas festgelegt werden sollte. Ich musste am Mittwoch das Scheidungsurteil dort hin bringen und in mir wuchs der Wunsch, das ich ihn mir auch noch mal ansehen konnte, haderte aber mit mir, ob ich überhaupt ein Recht dazu hätte und fragte mich, was Jörg wohl dazu gesagt hätte. Doch seine Leiche war bereits weg gebracht worden. Die Frau vom Bestattungsunternehmen erzählte mir, das die Kinder am Vortag mit der Oma zusammen den Papa angeschaut haben, sich aber nicht direkt an den Sarg getraut hätten, erst als dann die Oma raus war, fing mein Junge ganz heftig zu weinen an. Sie meinte das sie in der Tür stand und bei dem Anblick der beiden Geschwister, die sich  gegenseitig fest hielten, selbst mit den Tränen kämpfen musste.. Als ich ihr sagte, das Laura ihren Vater auch noch mal gern aus der Nähe anschauen würde,, meinte sie das sei kein Problem, sie würden ihn noch mal holen, da es wichtig sei, gerade für Kinder und auch in diesem speziellen Fall, richtig Abschied zu nehmen.

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Laura hatte mir erklärt, das sie gern dicht an den Sarg gegangen wäre um zu sehen, das dort wirklich ihr Papa drinnen lag, aber da ihr Bruder so heftig weinte und sie sich Sorgen machte das er zusammen brechen könnte, blieb sie an jenem Tag eng umschlungen hinter den Bänken mit ihm stehen.

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So bin ich mit ihr noch mal am Donnerstag dort hin gefahren. Laura war sehr aufgeregt, sie hatte ihrer Oma nichts davon gesagt, dachte, das diese mit ihr schimpfen würde, hatte ein schlechtes Gewissen, jedoch hab ich ihr während der Fahrt klar gemacht, das sie jedes Recht der Welt hat sich noch mal richtig von ihrem Papa zu verabschieden.

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Mit sehr gemischten Gefühlen kamen wir dort an und wurden sehr herzlich dort empfangen. Einen kleinen Moment mussten wir noch warten, da der Aufbahrungsraum noch vorbereitet werden musste. Dann durften wir hinein und die Frau nahm Laura fest in ihre Arme, erklärte ihr, das sie ihren Papa ruhig auch berühren dürfte und ermahnte sie, das sie auf einer dort stehenden Bank Platz nehmen solle, falls die wackelige Beine bekäme. Wir dürften uns alle Zeit der Welt nehmen und dann ließ sie uns allein. Als sie ging hatte sie Tränen in den Augen.

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Wir gingen an den aufgestellten Bänken langsam nach vorn, mit einer seltsamen Aufmerksamkeit registrierte ich jedes noch so kleine Detail. Die dunkelbraunen Holzbänke erinnerten an eine Kirche, in 2 vierer Reihen waren sie aufgestellt. An der Wand hing ein großes Kreuz und die betenden Hände von Dürrer. Das Fenster war abgedunkelt, unzählige weiße Kerzen in jeder Größe brannten und zauberten so ein weiches Licht. Ganz leise spielte im Hintergrund Musik, Engelfiguren waren verteilt, Blumen standen dort und in all dem stand nun der Sarg, indem ihr Papa lag, der Mann, mit dem ich 25 Jahre meines Lebens zusammen gewesen war.

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Langsam gingen wir auf ihn zu, ich hielt Laura fest im Arm und sie zitterte am ganzen Körper… da lag er, so schmal, klein und zerbrechlich im Sarg….. er sah aus als schliefe er, und doch sah sein Gesicht sehr krank aus. Das Kerzenlicht tauchte ihn in ein gnädiges Licht und so begannen wir mit dem Abschied nehmen.

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„Das ist ja wirklich Papa!“, sagte Laura, mir schnürte es das Herz zu. Uns beiden liefen die Tränen und meine Gedanken überschlugen sich wieder einmal komplett. Da stand unsere Tochter, das Papakind, 17 Jahre alt und doch noch so klein, so schutzbedürftig, ich dachte daran wie es war als ich von meinem Vater Abschied nehmen musste, doch hatte ich ihn um Jahre länger bei mir, auf sie und ihre Geschwister kommen ja nun  Erfahrungen im Leben zu, an denen er nicht mehr teilhaben kann und dann wird ihnen die Lücke, die er mit seinem Tod hinterlassen hat, immer und immer wieder bewusst werden. Ich versuchte zu erspüren, ob ich ihn energetisch wahrnehmen könnte, doch da war nichts außer Schmerz.

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Sie sagte: „Mama, Papa sieht aus als ob er schläft, so wie immer, man sieht ja gar nichts…“, sie meinte seinen Hals, ich hatte auch schon nach Spuren daran geschaut, doch es war nichts offensichtliches zu erkennen. Sie war erschreckt darüber, dass sich seine gefalteten Hände schon blau verfärbt hatten und fragte mich wie es sich denn anfühlen würde wenn sie ihn dort anfassen würde. Wir setzten uns gemeinsam auf die erste Bank und ich versuchte ihr zu erklären wie es ist, hatte ich doch meinem Vater damals an der Stirn berührt. Ich nahm sogar die Bank auf der wir saßen als Vergleich, nahm ihre Hand, legte sie auf die Sitzkissen und erklärte ihr, sie solle sich vorstellen, so fühlt sich ein Mensch an der im Leben steht, dann hob ich das Kissen an, legte ihre Hand auf die harte, kalte Bank und sagte das wäre in etwas so, wie sich jemand anfühlt, der nicht mehr im Leben steht.

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Doch Laura wollte es genau wissen, ich sollte es vormachen, sie würde sich sonst nicht trauen und in mir tobte ein Kampf. Sollte ich es tun, ihn anfassen? In meinem Kopf blitzten Bilder auf, von unserem letzten Treffen, als ich ihn in den Arm nehmen wollte und so entsetzt war, das da nur noch Haut und Knochen zu fühlen waren, Berührungen, die wir tauschten, lange bevor wir uns getrennt hatten und ich wusste ganz genau wie er sich damals anfühlte und ich fragte mich, ob es ihm denn überhaupt recht wäre, wenn ich es jetzt täte. Laura sah mich erwartungsvoll an, mit Tränen in den Augen, also stand ich auf, beugte mich etwas über den Sarg, sah ihn an. Es war, als ob ich mir selbst noch Mut machen müsste. Ich sah ihn an, klein und verletzlich, schmal und irgendwie ausgemergelt lag er da nun vor mir und ich legte meine rechte Hand auf seine Brust. Ich wusste ja schon, dass es sich in jedem Fall anders anfühlen würde, als wenn man einen lebenden Menschen anfasst und doch war es für mich wie ein Schock. Emotionen kamen in mir hoch, ich war wütend auf ihn. Wütend, das er sich so davon gemacht und sich scheinbar keine Gedanken um seine Kinder gemacht hatte. „Du Idiot!“, schrie ich ihn an, selbst überrascht vom Klang meiner Stimme, „egal was du für Probleme hattest, wir hätten dafür eine Lösung finden können!“, und Laura, die wohl etwas entsetzt war, erwiderte: „Mama, nicht, du hast ihn doch auch mal geliebt!“. „Ja, das habe ich und er wird immer irgendwie ein Teil von meinem Leben bleiben!“. Das spürte ich in diesem Moment sehr deutlich. „Mama, Papa sah doch gut aus, oder?“, „Ja, Laura, er war ein schöner Mann“, „sonst hättest du ihn nicht geheiratet!“, „nein, hätte ich nicht!“.

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Meine Kleine entschloss dann für sich, das sie ihn nicht mehr berühren wollte, wir blieben noch etwas dort und als wir langsam zum Abschluss kamen und uns dem Ausgang zuwendeten, drehte sie sich noch mal um, schaute auf ihn und flüsterte: „Jetzt sehe ich meinen Papa das allerletzte mal in meinem Leben!“, und ihr liefen wieder die Tränen. Ich unterdrückte meinen Impuls, mich selbst noch mal umzudrehen, denn ich konnte mich haargenau an das Gefühl erinnern, das ich damals bei meinem Papa hatte: Ich wollte die letzte aus der Familie sein, die ihn hier auf Erden sah. Dann gingen wir und durften uns noch mit der Frau vom Bestattungsunternehmen ins Büro setzen. Wir sprachen noch einige Worte und konnten dann irgendwie befreiter wieder die Heimreise antreten.

Diese Buch „Barfuss übers Lavafeld“ schrieb ich mir sozusagen von der Seele, mein Abschied von meinem Papa, meiner Schwester, meinem Exmann, meinem alten Leben und vielen anderen Dingen. Nichts bleibt wie es war, alles ändert sich! DAS ist die einzige Konstante im Universum……

Herzlichst, Sabine

Abschied – erster Buchauszug

Abschied

     Foto von: Jürgen Helm

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Kopiere diese Rose…

… wenn Du jemand im Himmel hast,

den Du nie vergessen wirst….

So war es heute auf vielen Pinnwänden bei Facebook zu lesen. Auch ich habe diese Rose kopiert und auf meine Pinnwand gesetzt, im Gedenken an meinen Vater.

Er ging seit mehr als 9 Jahren von uns,  plötzlich und unerwartet wie man dann so schön sagt. Heute fühlte ich mich durch diese Pinnwandeinträge wieder an diese Zeit erinnert – mit Abstand die schlimmste in meinem Leben 😦

Plötzlich und unerwartet…… hmmm nun im Rückblick muß ich gestehen, das dem nicht so war. Ich muß mir eingestehen, das ich es damals geahnt habe, schon Wochen vorher! Aber ich gestand es mir nicht ein, wollte es wohl auch nicht wahr haben. Heute erkenne ich die Anzeichen, wenn sich eine Seele entschlossen hat zu gehen, nur damals war es nicht so.

Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag, als wäre es gestern erst gewesen. Es war brütend heiß, man bekam kaum Luft und ich dachte den ganzen Tag daran, das ich zu meinem Vater muß. Ich hab es nicht getan! Doch wer mag liest selbst…..

Es folgt ein Auszug aus meinem ersten Buch „Barfuß übers Lavafeld“, welches leider nicht mehr im Handel erhältlich ist. Doch diesen Auszug hier möchte ich gern mit euch teilen:

Dann stand der Sommer 2002 vor der Tür, ein gemeinsamer Urlaub in Dänemark mit meinen Eltern war geplant, das Haus direkt am Strand gebucht und ich hielt an einem recht heißen Tag einen Vortrag für eine Kollegin und deren Interessenten. Ständig hatte ich das Gefühl, ich muß zu meinen Eltern fahren, doch ich tat es nicht. Die Mädchen waren beide bei ihnen und am Abend wollten sie nach Hause kommen, weil Oma und Opa einen Krankenbesuch machen wollten. Die Unruhe hielt an, zu Hause lief ich ungeduldig hin und her, es trieb mich förmlich von zu Hause weg. Ich schnappte mir den Hund, lief eine Runde, aber es blieb unverändert. Meine Töchter kamen lachend nach Hause, braungebrannt…..und gutgelaunt, sie hatten einen schönen Tag im großen Planschbecken verbracht und sind mit meinen Eltern gemeinsam ein Stück gemeinsam Richtung unser Haus gegangen, alles schien in Ordnung zu sein und doch hatte ich dieses Gefühl etwas tun zu müssen. Ich sprach darüber mit Jörg doch er meinte ich könne doch nicht zu meinen Eltern gehen wenn diese selbst zu Besuch wären. Hm, ok, das sah ich ein und dann kam noch mein Schwager zu uns, der mir ein verspätetes Geburtstagsgeschenk brachte, ein Buch, das ich mir zwecks Fortbildung gewünscht hatte. Thema: Heilwirkung der Aloe Vera Pflanze, welches ich mir am späteren Abend im Bett zum lesen vornahm. Mein Mann fuhr zur Nachtschicht und die Kinder waren im Bett, am kommenden Tag sollte es die Zeugnisse geben  und die Ferien fingen an. Gegen 22:30 Uhr klingelte das Telefon, ich dachte es sei Jörg, war genau die Zeit bevor die Schicht los ging und so manches mal rief er mich an um noch einige Worte mit mir zu wechseln, doch er war es nicht. Es war Gerd, der Freund meiner Eltern, ich müsse sofort kommen, Papa wäre umgefallen, es ginge ihm nicht gut. Meine Augen vielen in dem angefangen Buch auf das Wort Herzinfarkt und ich sprang in meine Hose, Bluse drüber, Handy und Autoschlüssel geschnappt und los bin ich. Keine 4 Minuten nach dem Anruf war ich vor Ort. Gerd kam mir ganz aufgeregt die Treppe herunter entgegen, murmelte vor sich hin, ganz schlimm ganz schlimm und eine seltsame Ruhe ergriff mich. Ich stürmte die Treppe hoch in den Flur rein, Hannelore, die Freundin meiner Mutter saß weinend auf der Treppe auf der linken Seite, meine Mutter stand vor dem Gäste WC und hielt sich die Hände vor den Mund, mein Vater lag darin lang ausgestreckt und rührte sich nicht mehr. Er war zum austreten gegangen, hat noch die Spülung betätigt, jedoch zum Händewaschen kam er nicht mehr. Ein Blick genügte und ich wusste das er nicht mehr in dieser Welt weilte. Dann funktionierte ich nur noch, ich rief meinen Mann an, meine Schwiegermutter, das sie bitte nach meinen Kindern schauen soll, dann versuchte ich meine Schwestern zu erreichen, Gerd versuchte noch Herzmassage und Mund zu Mund Beatmung, rief immer wieder die Notrufzentrale an wo der Krankenwagen bliebe und alles schien auf einmal wie ein schlechter Traum zu sein. Die Gedanken überschlugen sich: Das kann er doch nicht machen, nicht jetzt, wir wollen doch in den Urlaub, morgen will er mit den Kindern Eis essen gehen, wie soll es weiter gehen, hätte ich vorher zu ihm fahren sollen, wie geht es meiner Mutter, warum weint Hannelore, was werden die Kinder sagen; Papa warum? Papa es tut so weh, bitte komm wieder, bitte sag mir das alles ist nur ein schlechter Traum. Du hast dir doch erst vor 2 ein halb Wochen ein neues Auto gekauft, das musst du doch fahren, Papa steh endlich auf und sprich mit mir……

Dann kam der Krankenwagen mit dem Notarzt, 2 Männer zogen den Körper meines Vaters in den Windfang und das ganze Programm musste durchgespielt werden. Sie rissen ihm sein Hemd auf, legten Zugänge, Elektroschocks, Adrenalin wurde gespritzt und ich stand zu seinen Füßen und beobachtete was dort genau vor meinen Augen ablief. Ich dachte es ist genau wie in diesen Arztserien, die wissen was sie tun, aber sein Herzschlag setzte nicht mehr ein, es war zu spät. Gerd führte meine Mutter von mir weg ins Wohnzimmer, ich blieb stehen, wollte es nicht wahrhaben, versuchte in Gedanken ihn zu ermuntern doch zurück zu kommen. Heute weiß ich das er ein Pflegefall geblieben wäre, sein Gehirn war schließlich zu lange ohne Sauerstoff.

Der Notarzt sah mich nach einer ganzen Weile an und schüttelte nur den Kopf, er könne nichts mehr tun und es täte ihm leid. 2 der Sanitäter gingen nach draußen vor die Tür und unterhielten sich über den bevorstehenden Urlaub und lachten – klar, ihr Alltag, sie dürfen sich nicht so emotional in ihrer Arbeit geben, die Belastung wäre ja kaum auszuhalten, aber ich saß da im Flur, hielt die Hand meines Vaters, versuchte sein Hemd gerade zu rücken, wischte die Gelreste von seinem Oberkörper und wurde zunehmend wütender auf diese Männer. Wie konnten sie nur so fröhlich sein wo doch gerade eben unsere Welt zusammen gebrochen war?? Gerd kam, sah es und ging vor die Tür und stauchte die Männer ordentlich zusammen. Der Notarzt war bei meiner Mutter, die total unter Schock stand und behandelte sie, ich bin wieder in den Flur, legte eine Decke über den Körper meines Vaters und hielt weiterhin seine Hand in meiner. Ich weiß heute gar nicht mehr ob ich weinte, ich glaube eher nein, aber ich hielt Zwiesprache mit ihm, sagte ihm das er keine Angst haben müsse, das er ins Licht gehen darf und wie lieb ich ihn habe. Dann sah ich in sein Gesicht und hoffte darin irgend eine Regung zu sehen, das ein Wunder geschähe und er die Augen aufschlägt und sagt: „Man hab ich einen Blödsinn geträumt!“, aber da war nichts, bis auf ein kleines Flattern in seiner Hand, wie ein kaum spürbarer Händedruck und sofort flogen meine Augen wieder hoch zu seinem Gesicht, leichte Panik überkam mich, ich wollte die Männer zurück rufen, sie bitten noch mal alles zu versuchen, ich habe ja schließlich eine Regung gespürt, doch es war vorbei.

Der Notarzt kam aus dem Wohnzimmer in dem er meiner Mutter eine Beruhigungsspritze gegeben hat, blieb bei mir im Flur stehen, legte seine Hand auf meine Schulter und sagte: „Es tut mir aufrichtig leid, ich hätte ihn gern für Sie gerettet, aber es lag nicht in meiner Macht“, dann drückte er kurz zu und als ich zu ihm auf sah hatte er Tränen in den Augen. Eine Welle des Mitgefühls überkam mich und so nickte ich nur und er ging.

Ich weiß nicht wie lange ich noch dort saß, auf einmal waren sie alle da, mein Schwager Lothar mit meiner Schwester Doris, meine Nichte Yvonne mit ihrem Freund Fabio und dann ging es ganz schnell. Der Bestatter wurde bestellt und kam innerhalb kurzer Zeit und Lothar, Fabio und Gerd halfen ihm den Körper meines Vaters aus dem Haus zu tragen. Ich wurde indem in die Küche geschoben und von meiner Schwester festgehalten. Mein Schwager wollte nicht das ich zuschaue wie sie ihn weg tragen. Irgendwann riss ich mich los und lief hinterher, da wurde gerade die Tür vom Leichenwagen zugemacht. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung und ich schaute hinterher bis er um die Ecke verschwand. Mir zerriss es förmlich das Herz. Erst dann kam mein Mann, er kam direkt von der Arbeit und war kurz bei den Kindern, aber seine Mutter war schon da. Keine Umarmung, nur ein kurzes über den Arm streicheln, das war es. Ich registrierte es außergewöhnlich hellwach, aber maß dem irgendwie doch keine Bedeutung bei.

Meine Schwester blieb über Nacht bei meiner Mutter, ich wollte nur nach Hause in mein Bett, irgendwer fragte, ob ich denn überhaupt Auto fahren könne, doch ich konnte. Meine Schwiegermutter saß bei uns im Windfang, auch sie war irgendwie seltsam förmlich, aber unser Hund Topsi kam mit eingekniffenen Schwanz zu mir, stupste mich an und winselte leise. Irene sagte, das sie die ganze Zeit gejault hätte.

Dann lag ich im Bett, irgendwie hellwach und doch betäubt versuchte ich das ganze Ausmaß zu begreifen. Es ging nicht. Irgendwann viel ich in den Schlaf und mein Wecker holte mich aus der Hölle. Ich dachte noch:“ meine Güte, was war das für ein Alptraum“, doch mit einem Schlag war die Realität wieder da. Ich musste die Kinder wecken, ihnen die Nachricht beibringen, mit Ihnen die Zeugnisse abholen und dann zu meiner Mutter fahren. Wir mussten ja so viel erledigen. Die Beerdigung musste irgendwie organisiert werden und dazu mussten wir halt gemeinsam dort hin. Meine Tante Uschi, die kleine Schwester meines Vaters und mein Mann begleiteten uns. Fassungslos suchten wir nach Worten, doch Frau Daedther führte uns einfühlsam durch das Gespräch. Meine Mutter saß nur kopfschüttelnd da und sagte: „Wir wollten doch jetzt Eis essen gehen und kein Begräbnis bestellen.“ Sie war kaum fähig eine Entscheidung zu treffen, deshalb übernahm ich das. Ich suchte den Sarg aus und den Text der in der Zeitung stehen sollte.

„Niemand fragt, ob es einem Recht ist Abschied zu nehmen von seinem Leben, seinen Gewohnheiten und seinen Lieben. Was bleibt, ist dieses zusammenbrechen um dann neu aufzubrechen“.

Als wir damit fertig waren, sind wir ins Haus zu meiner Mutter zurück, im Bad zeigte sie uns noch seine Fingerabdrücke, die er beim duschen an der Duschkabine hinterlassen hatte und dann kamen die treuen Freunde aus Berlin, Ellen und Bernd. Sie blieben eine ganze Woche und halfen wo sie nur konnten. Sie haben extra einen geplanten Urlaub abgesagt und wir mussten uns der harten Realität stellen.

Am folgenden Tag konnten wir uns meinen Vater noch mal ansehen. Ich habe ihm einen langen Brief geschrieben, allerdings weiß ich heute nicht mehr genau was alles darin stand. Die Kinder malten Bilder und Laura und Maik wollten unbedingt mit um sich vom Opa zu verabschieden. Meine Schwiegermutter war total dagegen, doch ich setzte mich durch. Mein Mann hielt sich raus, er war eh irgendwie ganz weit weg.

Am Nachmittag war es soweit, meine Nichten waren auch dabei, meine Tante, Ellen und Bernd, die Kinder, meine Mutter und ich. Laura und Maik haben ihm eine Rose in die gefalteten Hände gelegt, er sah so friedlich aus und ich dachte mir Papa mach endlich die Augen wieder auf, doch das tat er natürlich nicht. Nach und nach leerte sich der kleine Raum und ich war an der Reihe an seinen Sarg zu treten. Ich steckte ihm den Brief ins Jackett, streichelte über die kalten Hände und fühlte seine Stirn, sie war eiskalt und hart, der Vergleich mit einer kalten Porzellantasse kam mir in den Sinn und endlich, endlich liefen die Tränen. Es wurde Zeit sich zu verabschieden und ich ging rückwärts bis zur Tür, ich wollte die letzte sein, die ihn dort so liegen sah. Irgendwie gab mir das etwas Trost.

Die Tage vergingen und ich war irgendwie in einem Vakuum, ich funktionierte, erklärte den Kindern, tröstete wo ich konnte, half meiner Mutter und dachte mir so manches mal: „Wer tröstet eigentlich mich?“. Unsere jüngste Tochter Laura schlief schlecht, sie wurde Nachts wach, hat dann bei uns im Bett geschlafen, weil sie immerzu ihren Opa sah, ich habe nur immerzu sein After Shave gerochen. Ich habe Laura dabei beobachtet, scheinbar schlief sie und als ob sie an unsichtbaren Schnüren hochgezogen wurde wie eine Marionette, setzte sie sich auf, riss die Augen weit auf und starrte ans Fußende. Wenn ich sie ansprach, reagierte sie erst nicht, dann jedoch legte sie sich wieder hin und kurz darauf schlug sie die Augen auf und flüsterte: „Opa war da, er sagt es geht ihm gut“, oder „heute hatte er seine Gartenjacke an, aber irgendwie hat er keine Zähne, aber er lacht“. So ging es einige Nächte und dann stand der Montag vor der Tür! Der Tag der Beerdigung! Mich packte die Angst, ich wollte das so nicht. Das hatte so was endgültiges! Zum ersten mal griff ich zu einer Beruhigungstablette. Als wir uns alle Richtung Friedhof in Bewegung setzten schwirrten mir die Gedanken: „Ich muß Mutti stützen, ob Renate gut auf die Kinder aufpasst?, muß ich nicht bei meinen Kindern sein, sie sitzen hinter mir, nicht bei mir, denn da sitzt Mutti und so drehten sich die Gedanken immer weiter. Als wir aus dem Auto stiegen trauten wir unseren Augen nicht! So viele Menschen standen dort, das hätten wir nie für möglich gehalten. Eine Umarmung hier, ein Schulter klopfen da, gemurmelte Worte des Mitleids, wir ließen alles über uns ergehen und betraten dann die Halle wo der Sarg schon aufgebahrt war. Darin lag also nun mein Papa, mit den Rosen und den Briefen und Bildern. Ich konnte es nicht begreifen. Ich sah das der Pastor kam und einige Worte sprach und dann war dieser Teil vorbei. Wir folgten dem Sarg nach draußen, durch ein Menschenmeer. Ich sah sie alle und doch wieder nicht. Die Kinder waren sehr tapfer, gingen direkt hinter uns, meine Mutter murmelte nur immer wieder nein, nein, nein. Der Moment des letzten Segens kam und der Sarg wurde in die Erde gelassen. Das war der Moment der mich aus meiner Lethargie riss. Alles in mir wollte dem nach, ich wäre am liebsten hinterher gesprungen. Es war unerträglich zu sehen wie langsam eine Schaufel Erde der nächsten folgte. Ich war so wütend, so traurig so verletzt und musste doch brav meine Rolle spielen.

Am Nachmittag haben wir das Grab noch mal besucht, die Blumen leuchteten schon von weitem und in mir machte sich wieder eine seltsame Ruhe breit. Fast so als sei eine Last von mir gefallen. In der Küche meiner Mutter viel mir meine älteste Schwester Renate um den Hals und weinte bitterlich: „Der arme Kalle, nun liegt er da in der kalten Erde, so ganz allein“, ich dachte nur während ich sie hielt: „Was will sie eigentlich, es ist mein Vater, nicht ihrer (meine Schwestern sind aus erster Ehe meiner Mutter), aber ich wusste auch gar nicht mehr ob und was ich fühlte, für uns ging das Leben weiter. Wenn auch anders, selbst wenn man glaubt, es kann gar nicht weiter gehen, so ist die Zeit doch unerbittlich und rückt Stunde um Stunde vor.

Jeden morgen ging ich zum Grab, sogar zusammen mit Topsi, sie schien auch zu spüren das es der geliebte Opa Kalle war, der dort lag. Als es Nachts anfing zu regnen, wäre ich am liebsten hingelaufen und hätte mich darüber geworfen, so unerträglich war mir der Gedanke das der ganze Schlamm den Sarg tief in der Erde erreicht und alles durchweicht.

Nun kam die Zeit unseres geplanten Urlaubes, der Hausarzt meinte wir sollen auf jeden Fall fahren und so kam es das wir meine Schwester Doris noch mitnahmen. Maik und Laura fuhren mit Papa und Topsi im Sharan, mit den ganzen gepackten Sachen, Lebensmitteln und Surfbrettern, ich fuhr das Auto meines Vaters, was er erst vor knapp 4 Wochen gekauft hatte, darin saßen meine Mutter, meine Schwester und Julia, meine älteste Tochter. Schon als wir aus dem Ort heraus fuhren, hatte ich das Gefühl ich würde meinen Vater im Stich lassen und innerlich weinte ich bittere Tränen, doch ich fuhr dem vorausfahrenden Auto einfach hinterher. Es war wie in einem schlechten Traum. Mit jedem Kilometer den wir zurück legten, starb irgendwie ein Teil von mir und doch kamen wir nach 7 Stunden fahrt an unser Ziel an.

Wir holten die Schlüssel für unser Haus und fingen an uns einzurichten. Irgendwie hatte uns der Alltag wieder…. Abends saßen wir lange gemeinsam auf der überdachten Terrasse und erzählten. Meine Mutter erzählte viel aus ihrem Leben, Dinge von denen ich bisher keine Ahnung hatte. Ein seltenes Gefühl des Zusammenhaltes entstand und auf unsere Weise ließen wir meinen Vater daran teilhaben.

Trotzdem übermannte mich noch die Trauer, so auch am 14. Tag nachdem er von uns gegangen war. Ich stand im Garten mit unserer Topsi und mir liefen die Tränen, mein Mann kam dazu und fragte mich: „Na, denkst du immer noch daran?“. Ich schaute ihn an und war fassungslos! Ich fragte mich allen ernstes, wer war eigentlich dieser Mann mit dem ich seit 22 Jahren zusammen war und 3 gemeinsame Kinder hatte. Wortlos griff ich die Hundeleine und lief Richtung Strand. In den Dünen suchte ich mir eine einsame Stelle, die so schnell niemand finden konnte, weit weg von den Wegen. Weinend saß ich da im Sand, Topsi legte ihren Kopf auf meine Schenkel und winselte mit mir mit. Ich sah die Möwen, das Meer, den blauen Himmel mit den weißen Wolken die locker vorbei zogen und es war so ungerecht das dies mein Vater nicht mehr erleben und genießen durfte. Es tat so weh!

Als ich zum Haus zurück kam war die Stimmung eisig. Mein Mann zeigte kein Verständnis für mein Verhalten und so gingen wir wortlos ins Bett. Meine Gedanken kamen und kamen nicht zur Ruhe, mein Herz war schwer und fühlte sich wund an, ich fühlte mich so einsam und allein, obwohl Jörg keine 20 cm neben mir lag. Doch irgendwann schlief ich ein.

Diese Buch „Barfuss übers Lavafeld“ schrieb ich mir sozusagen von der Seele, mein Abschied von meinem Papa, meiner Schwester, meinem Exmann, meinem alten Leben und vielen anderen Dingen. Nichts bleibt wie es war, alles ändert sich! DAS ist die einzige Konstante im Universum……

Herzlichst, Sabine